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VDE FNN
10.04.2025

Netzorientierte Steuerung standardisiert – jetzt geht es an die Umsetzung

Nach abgeschlossenem Konsultationsverfahren hat VDE FNN seine Empfehlungen zum Stand der Technik für die Umsetzung der netzorientierten Steuerung finalisiert (BK6-22-300, Tenorziffern 2 e, f und g). Nun muss die Steuerung in die Praxis kommen.

VDE FNN hat im Januar 2025 mit drei Hinweisen bundeseinheitliche Empfehlungen nach dem Stand der Technik zur Festlegung für die netzorientierte Steuerung (BK6-22-300, Tenorziffern 2 e, f und g) fristgerecht vorgelegt. Danach hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) die Empfehlungen zur öffentlichen Konsultation gestellt. Eine Konsultationssitzung fand am 17. März 2025 unter der Leitung der BNetzA statt. Eingegangene Konsultationsbeiträge haben die VDE FNN Gremien bewertet, mit der BNetzA diskutiert und im Fall von Zustimmung in den VDE FNN Hinweisen aufgenommen. Die finalen Empfehlungen hat VDE FNN jetzt veröffentlicht. Mit diesen Empfehlungen wird eine wichtige Orientierung für die Umsetzung der Steuerung über intelligente Messsysteme gegeben. 

Die BNetzA-Festlegung BK6-22-300  zur Ausgestaltung von § 14a EnWG regelt, dass steuerbare Verbrauchseinrichtungen (SteuVE) und Energie-Management-Systeme (EMS) im Falle einer kritischen Auslastungssituation des vorgelagerten Niederspannungsnetzes ihren netzwirksamen Leistungsbezug entsprechend der Vorgaben des Verteilnetzbetreibers reduzieren müssen. Im Beschluss der BNetzA ist dabei unter der so genannten „Tenorziffer 2“ vorgesehen, dass Netzbetreiber Empfehlungen nach dem Stand der Technik erarbeiten, um eine standardisierte und massengeschäftstaugliche Einrichtung und Umsetzung der netzorientierten Steuerung zu ermöglichen.  

Kontakt
Laura Woryna
Simon Widrinna

In Absprache mit der BNetzA hat VDE FNN die Koordination und Erarbeitung der Empfehlungen zu Tenorziffer 2a, b, c, e, f und g übernommen. Die finalen Empfehlungen zu den Tenorziffern 2a, b und c wurden bereits Mitte März 2025 veröffentlicht. Mit den in Summe sechs VDE FNN Hinweisen wird der Aufbau eines digitalen, flexiblen und weiterhin zuverlässigen Energiesystems bis zum Jahr 2030 unterstützt.

Mindestanforderungen an die Netzzustandsermittlung (Tenorziffer 2e)

Der VDE FNN Hinweis „Standardisiertes Vorgehen für die Durchführung der Netzzustandsermittlung auf Basis von Echtzeit-Messwerten in der Niederspannung zur Einhaltung von Mindestanforderungen an deren Sensitivität und Spezifität“ beschreibt ein praxisnahes Vorgehen zur Umsetzung einer Netzzustandsermittlung. Damit wird die Empfehlung von VDE FNN zu Tenorziffer 2e veröffentlicht.

Die Netzzustandsermittlung stellt durch die Möglichkeit der objektiven Bewertung eines Netzzustandes die Grundlage für Handlungen des Verteilnetzbetreibers dar. Somit ist die Durchführung von Netzzustandsermittlungen ebenfalls als wichtiges entscheidendes Kriterium für die Akzeptanz von Betreibern von SteuVE und EMS zu sehen.

Die Empfehlung definiert hinreichende Bewertungskriterien und Mindestanforderungen bzgl. der Validierung einer Netzzustandsermittlung. Der Fokus liegt auf der zuverlässigen Erkennung von Netzengpässen und der praxisorientierten Umsetzung einer Netzzustandsermittlung im Sinne von § 14a EnWG.

Mit der vorliegenden Empfehlung werden die initial vorgegebenen Sensorausstattungsgrade aus der BNetzA-Festlegung ersetzt.

Grundlage der Empfehlung ist eine vom VDE FNN an die Consentec GmbH und Bergische Universität Wuppertal vergebene Begleitstudie. In dieser Studie wurden u.a. eine Meta-Analyse zum Stand der Technik sowie Simulationen durchgeführt, um notwendige Sensorausstattungsgrade für eine zuverlässige Erkennung von Netzengpässen zu ermitteln.

Im Rahmen der Erarbeitung wurde im Juni 2024 ein VDE FNN Impuls „Prämissen und erste Erkenntnisse zum standardisierten Vorgehen für die Durchführung von Netzzustandsermittlungen auf Basis von Echtzeit-Messwerten in der Niederspannung“ veröffentlicht und zur Kommentierung gestellt. Das erhaltene Feedback hat VDE FNN bei der weiteren Erarbeitung der Empfehlung, Stand Januar 2025, berücksichtigt.

Im Rahmen der anschließenden BNetzA-Konsultation der Empfehlung zur Tenorziffer 2e aus Januar 2025 wurden in der jetzt veröffentlichten finalen Empfehlung lediglich inhaltliche Klarstellungen vorgenommen. 

Berechnung der Mindestleistung (Tenorziffer 2f)

Der VDE FNN Hinweis „Berechnung des mindestens zu gewährenden netzwirksamen Leistungsbezugs (Mindestleistung)“ gibt die Empfehlung von VDE FNN zu Tenorziffer 2f wieder.

Gemäß der BNetzA-Festlegung müssen SteuVE und EMS im Falle einer kritischen Auslastungssituation des vorgelagerten Niederspannungsnetzes ihren netzwirksamen Leistungsbezug entsprechend der Vorgaben des Verteilnetzbetreibers reduzieren. Allerdings hat der Betreiber von SteuVE oder EMS auch während einer Steuerungsmaßnahme Anspruch auf einen mindestens zu gewährenden netzwirksamen Leistungsbezug, der so genannten Mindestleistung. Das bedeutet, dass keine SteuVE bzw. kein EMS durch den Steuerbefehl des Verteilnetzbetreibers auf null reduziert werden darf.  

Die gesamte Mindestleistung in einem Netzbereich ergibt sich dabei aus der Addition der drei folgenden Summanden:

  1. Mindestleistung für steuerbare Verbrauchseinrichtungen, die direkt gesteuert werden
  2. Mindestleistung für Wärmepumpen und Anlagen zur Raumkühlung, wenn diese eine Netzanschlussleistung von über 11 kW haben und direkt gesteuert werden
  3. Mindestleistung für steuerbare Verbrauchseinrichtungen, die mittels eines Energie-Management-Systems gesteuert werden

Im Rahmen der Erarbeitung der Empfehlung zur Tenorziffer 2f wurden die bisherigen Vorgaben der BNetzA aus Sicht der Verteilnetzbetreiber analysiert. Mit dem VDE FNN Impuls „Analyse und Verifikation der BNetzA-Vorgaben zur Berechnung der Mindestbezugsleistung aus Sicht eines Verteilnetzbetreibers“ waren Netzbetreiber aufgerufen, die vorgestellten Berechnungen für ihr Netzgebiet durchzuführen. Auf Basis dieser Rückmeldungen konnten Rückschlüsse zu den Auswirkungen der aktuellen BNetzA-Regelungen aus BK6 22-300 gezogen werden, die in die Erarbeitung der Empfehlung, Stand Januar 2025, eingeflossen sind. 

Die folgende Konsultation der Empfehlung aus Januar 2025 ergab, dass die Erarbeitung der Empfehlung gemäß Tenorziffer 2f auf eine Konkretisierung des Skalierungsfaktors für den 2. Summanden sowie die Überprüfung der verwendeten Berechnungsformel inklusive Gleichzeitigkeitsfaktoren für den 3. Summanden abzielt. Dies wurde in der nun veröffentlichten Version 1.0 von April 2025 nachgeschärft. 

Es haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Anpassung begründen. VDE FNN empfiehlt deshalb die Beibehaltung der von der BNetzA in der Festlegung BK6-22-300 initial festgelegten Werte. 

Gültigkeitsdauer einer Netzzustandsermittlung (Tenorziffer 2g) 

Mit dem VDE FNN Hinweis „Maximaler Zeitraum zwischen dem Vorliegen des Ergebnisses der Netzzustandsermittlung und dem Auslösen der Reduzierung des netzwirksamen Leistungsbezugs durch den Netzbetreiber gegenüber dem Messstellenbetreiber“ wird die Empfehlung von VDE FNN zu Tenorziffer 2g veröffentlicht. Eine Steuerungsmaßnahme des Verteilnetzbetreibers muss unverzüglich als Reaktion auf vorliegende Ergebnisse der Netzzustandsermittlung erfolgen, um den „Ultima-Ratio-Gedanken“ des § 14a EnWG Rechnung zu tragen. Im Rahmen der Tenorziffer 2g wird somit betrachtet, innerhalb welches Zeitraums nach dem Vorliegen des Ergebnisses der Netzzustandsermittlung der Verteilnetzbetreiber über weitere Maßnahmen entscheiden muss. Die BNetzA-Festlegung sieht hierfür initial einen Zeitraum von fünf Minuten vor.

Aus Sicht von VDE FNN gibt es keine Anhaltspunkte, dass die von der BNetzA vorgeschlagene Zeitspanne für diesen Prozessschritt nicht auskömmlich sein könnte. Die angegebene Zeitspanne kann zusammenfassend als maximale Gültigkeitsdauer der Netzzustandsermittlung verstanden werden.

Basierend auf den Rückmeldungen der BNetzA-Konsultation wurden bei der jetzt veröffentlichten, finalen Empfehlung zur Tenorziffer 2g im Vergleich zur Version aus Januar 2025 ausschließlich inhaltliche Klarstellungen vorgenommen. 

Einbeziehung aller relevanten Marktakteure 

Die Erarbeitung der finalen VDE FNN Empfehlungen zum Stand der Technik nach Tenorziffer 2e, f und g erfolgte unter Einbeziehung aller relevanten Akteure. Während der Ausarbeitung der VDE FNN Empfehlungen aus Januar 2025 fanden zusätzlich am 15. Februar 2024  und am 28. Mai 2024 unter der Leitung der BNetzA Workshops mit beteiligten Marktakteuren statt, bei denen VDE FNN über die aktuellen Arbeiten informierte und Beteiligte die Möglichkeit der Stellungnahme hatten. Die im Januar 2025 vorgelegten Dokumente wurden anschließend von der BNetzA zur Konsultation gestellt. Sämtliche Rückmeldungen wurden angemessen gewürdigt und bei Zustimmung in den finalen Empfehlungen berücksichtigt.