Antwort:
Zur Bestimmung der Notwendigkeit von Maßnahmen zum Überspannungsschutz ist grundsätzlich zu prüfen, ob Kriterien nach DIN VDE 0100-443, Abschnitt 443.4 – z. B. Gewerbe- und Industrieaktivitäten - erfüllt werden. Falls mindestens eines der Kriterien nach Abschnitt 443.4 zutrifft, ist Überspannungsschutz am Speisepunkt der elektrischen Anlage zu errichten.
Bei der Auswahl und Errichtung der Überspannungs-Schutzreinrichtungen sind die Anforderungen von DIN VDE 0100-534 zu erfüllen.
Bei der Notwendigkeit von Überspannungsschutz in Stromkreisen zur Versorgung von Ladeeinrichtungen für Elektrofahrzeuge nach DIN VDE 0100-722 können folgende Fälle unterschieden werden:
Fall 1: Ladeeinrichtungen im privaten / nicht-öffentlichen Bereich – bei Gebäuden ohne äußerem Blitzschutzsystem – Bild 1
- Ist im Gebäude kein Überspannungsschutz vorhanden, dann muss bei Errichtung eines neuen Stromkreises für eine Ladeeinrichtung mindestens ein SPD Typ 2 am Speisepunkt der Anlage errichtet werden.
- Es wird ein zusätzlicher Überspannungsschutz an der Ladeeinrichtung zum Schutz der Ladeeinrichtung und des Elektrofahrzeuges bei Leitungslängen > 10 Meter empfohlen. (Fall 1.1 und 1.2). Abweichend kann bei einer durchgehenden Schirmung*) der Leitung zur Ladeeinrichtung (z.B. geschirmte Leitungsverlegung oder Schirmwirkung von Gebäuden in Stahlbetonbauweise z.B. in Tiefgaragen), auf den empfohlenen zusätzlichen Überspannungsschutz verzichtet werden. Dies erfolgt in einer dokumentierten Absprache zwischen Auftraggeber / Betreiber und Planer (Fall 1.3).
*) Vorgaben zur Leitungs- und Raumschirmung siehe DIN EN 62305-4:
- Kabelschirme beidseitig großflächig an Potentialausgleich anschließen;
- Kabelschirm mindestes 6mm² Kupfer
- Geschirmte Leitung mit einer empfohlenen Überdeckung des Kabelschirms von mindestens 85% - siehe Datenblatt
Fall 2: Ladeeinrichtungen im privaten / nicht-öffentlichen Bereich – bei Gebäuden mit äußerem Blitzschutzsystem – Bild 2
- Bei Gebäuden mit äußerem Blitzschutzsystem ist ein SPD Typ 1 am Speisepunkt erforderlich.
- Zusätzlicher Überspannungsschutz an der Ladeeinrichtung ist notwendig bei einer Leitungslänge von mehr als 10 Meter zwischen dem installierten Überspannungsschutz und der Ladestation -falls keine durchgehende Schirmung*) vorhanden ist.
- Bei der Auswahl des zusätzlichen Überspannungsschutzes ist auch die Einhaltung des Trennungsabstandes zwischen Blitzschutzanlage und Ladeeinrichtung und Ladestromkreis zu berücksichtigen.
- Bei Fragen zu möglicherweise notwendigen zusätzlichen Maßnahmen, z.B. einem äußeren Blitzschutzsystem der Ladeeinrichtung, ist eine Blitzschutzfachkraft zu konsultieren.
*) Vorgaben zur Leitungs- und Raumschirmung siehe DIN EN 62305 -3 und -4:
- Kabelschirme beidseitig großflächig an Potentialausgleich anschließen;
- Kabelschirm mindestes 6mm² Cu, falls keine Blitzteilströme über Schirm zu erwarten sind;
- Kabelschirm mindestens 16mm² Cu, falls Blitzteilströme über Schirm zu erwarten sind;
- Geschirmte Leitung mit einer empfohlenen Überdeckung des Kabelschirms von mindestens 85% - siehe Datenblatt
Fall 3: Öffentlich zugängliche Ladeeinrichtungen – Bild 3
Bei öffentlich zugänglichen Ladeeinrichtungen sind Maßnahmen zum Überspannungsschutz vorzusehen, da diese entsprechend VDE 0100-443, Abschnitt 443.4 öffentliche Einrichtungen darstellen. Dies wird durch den Hinweis in VDE 0100-722, Abschnitt 722.443.4 nochmals verdeutlicht: „Ein öffentlich zugänglicher Anschlusspunkt wird als Teil einer öffentlichen Einrichtung erachtet und muss daher bei transienten Überspannungen geschützt sein.“
Bei öffentlich zugänglichen Ladeeinrichtungen, die an ein Gebäude mit Überspannungsschutz nach DIN VDE 0100-443 angeschlossen sind, ist die Forderung von DIN VDE 0100-722 durch den Überspannungsschutz im Gebäude bereits erfüllt. Es sind die Hinweise zu den Fällen 1 und 2 zu beachten.
Bei öffentlich zugänglichen Ladeeinrichtungen, die direkt an das öffentlichen Niederspannungsnetz angeschlossen sind, ist Überspannungsschutz an oder in der Ladestation nach DIN IEC/TS 61439-7 (VDE V 0660-600-7)) vorzusehen – – siehe auch VDE-AR-N 4100, Abschnitt 12.