Beschleunigte Inbetriebsetzung von Erzeugungsanlagen bis 500 kW
VDE FNN
25.06.2024

Vereinfachter Anschluss und Nachweis von Erzeugungsanlagen in Mittel- und Hochspannung in Kraft

Beim Systemumbau kommt es immer mehr auf Schnelligkeit an. Ein wichtiger Baustein dafür: die vereinfachte Nachweisführung von Erzeugungsanlagen bis 500 kW installierter Leistung. VDE FNN hat für alle betroffenen Stakeholder, ob Anlagenbetreiber, Zertifizierer oder Netzbetreiber, eine Anwendungshilfe für den konkreten Umgang mit den Mitte Mai 2024 in Kraft getretenen Verordnungen für die vereinfachte Nachweisführung erstellt. Mit der Anwendungshilfe sind Anwender bestens informiert.

In Zeiten von Beschleunigung ist es entscheidend, den Überblick zu behalten. Das gilt vor allem bei Änderungen und Neuerungen im Ordnungsrahmen – insbesondere dann, wenn diese zur Vereinfachung beitragen. Mit der „Verordnung zur Änderung der Elektrotechnische-Eigenschaften-Nachweis-Verordnung (NELEV-Änderungsverordnung, Bundesratsdrucksache 456/23)“ hat die Bundesregierung, den Nachweis der elektrotechnischen Eigenschaften von Erzeugungsanlagen bis zu 500 kW installierter Leistung und bis zu 270 kW Einspeiseleistung vereinfacht. Konkret heißt dies für die betroffenen Anlagen, dass diese ohne Anlagenzertifikat ans Netz gehen dürfen. Während dies bislang nur für die Niederspannung gilt, sollen davon künftig Erzeugungsanlagen in allen Spannungsebenen profitieren, ebenso Speicher. Damit sollen sich der Aufwand und die Kosten für die Zertifizierung verringern.  

Orientierung für die künftige vereinfachte Zertifizierung 

VDE FNN hat mit seinem Hinweis „​​Vereinfachter Anschluss und Nachweis von Erzeugungsanlagen und Speichern mit Netzanschluss in der Mittel- und Hochspannung​“ eine strukturierte Anwendungshilfe geschaffen, die eine Orientierung über die geplanten Änderungen im Ordnungsrahmen bietet. Die Highlights: 

  • Einordnung der technischen und grundsätzlichen Rahmenbedingungen für die vereinfachte Zertifizierung 
  • Übersicht zur Umsetzung der technischen Anforderungen und Nachweise 
  • Zeitliche Einordnung in der Übergangsphase bis zur Überarbeitung der Technischen Anschlussregeln (TARs), welche die Möglichkeit der vereinfachten Zertifizierung aufnehmen werden
  • Beispiele, in denen die Vereinfachungen Anwendung finden 

Anforderungen an Systemstabilität zu erfüllen  

Der VDE FNN Hinweis ist zusammen mit der TAR Erzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz (VDE-AR-N 4105:2018-11) und TAR Mittelspannung (VDE-AR-N 4110:2023-09) anzuwenden. Denn neben der vereinfachten Nachweisführung müssen die betroffenen Anlagen für die Systemstabilität essenzielle Anforderungen erfüllen. Dies betrifft insbesondere die Vorgaben zur Systemstabilität für Anlagen mit Anschluss in der Mittelspannung. Basis dieser Vorgaben ist die Energieanlagen-Anforderungen-Verordnung (EAAV). Zu beachten ist, dass die aktuell gültigen TARs die vereinfachte Zertifizierung nicht enthalten. Diese soll mit der Vorlage der TAR-Novellen 2025 integriert werden. Deshalb ist für die Zeit bis dahin der neue Hinweis entscheidend. 

NELEV-Änderungsverordnung und EAAV in Kraft 

Der VDE FNN Hinweis setzt die geänderten Anforderungen an die Nachweisführung auf Basis der NELEV-Änderungsverordnung und der EAAV um. Diese sind mit dem Solarpaket I Mitte Mai 2024 in Kraft getreten, womit die Inbetriebnahme von Anlagen im genannten Leistungssegment auf Basis des VDE FNN NELEV-Hinweises erfolgen darf.

FAQs

Errichtung eines BHKWs (112 kW) an NAP mit Bestands-PV-Anlage (50 kW) in der Mittelspannung (13.06.2024)

Frage

Wie ist im Rahmen des VDE FNN Hinweises ein BHWK mit einer installierten Leistung von 112 kW (mit bestehendem Einheitenzertifikat nach VDE-AR-N 4105) zu behandeln, welches an einem Netzanschlusspunkt (öffentliches Mittelspannungsnetz) mit einer bestehenden PV-Anlage mit einer installierten Leistung von 50 kW errichtet werden soll?

Antwort

Welche Anforderungen sind zu erfüllen? 

Das neu anzuschließende BHKW (Typ 1 Anlage) weist eine installierte Leistung von 112 kW (Typ A Anlage (< 135 kW)) auf. Die bereits installierte PV-Anlage (Typ-2-EZA) weist eine installierte Leistung von 50 kW (Typ A Anlage (< 135 kW)) auf. Welche technischen Anforderungen nach der EAAV zu erfüllen sind, bemisst sich nach den dort niedergelegten Schwellenwerten. Bei der Berechnung dieser Schwellenwerte ist die gesamte kumulierte installierte Leistung hinter dem Netzanschlusspunkt maßgeblich, und zwar unabhängig davon, welchen Typen nach den Technischen Anschlussregeln (TAR) (sowie den europäischen Networkcode Requirements for Generators (RfG)) die Anlagen angehören. Maßgeblich ist damit der kumulierte Wert in Höhe von 162 kW. Sofern auch die Einspeiseleistung ≤ 270 kW beträgt, muss also das BHKW gemäß § 3 Abs. 1 EEAV lediglich die VDE-AR-N 4105 sowie die Einstellwerte für Frequenzvermögen und Frequenzschutz nach VDE-AR-N 4110 einhalten und die Inselnetzerkennung muss deaktiviert sein.


Welcher Nachweis ist zu erbringen? 

Da im Rahmen der NELEV – anders als nach der EAAV - die installierte Leistung von Typ A Anlagen nicht kumuliert wird, weil § 2 NELEV nur auf Typ B und Typ C Anlagen, nicht aber auf Typ A Anlagen anwendbar ist, sind nicht die Vorschriften des § 2 NELEV, sondern gemäß § 3 NELEV jene der TAR einschlägig. Da die TAR aber bei der Ermittlung ihrer Schwellenwerte keine Kumulation zwischen Typ 1 und Typ 2 vornehmen, erreicht das BHWK mit seinen 112 kW nicht den o.g. Schwellenwert von 135 kW. Gemäß Abschnitt 1 der VDE-AR-N 4110 gelten für Anlagen < 135 kW trotz des NAP auf der Mittelspannungsebene nicht die Anforderungen der VDE-AR-N 4110 sondern vielmehr jene der VDE-AR-N 4105. Nach Abschnitt 1 der VDE-AR-N 4105 bedürfen Anlagen ≤ 135 kW eines Einheitenzertifikats nach VDE-AR-N 4105.