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VDE FNN
26.01.2023

Systemstabilität sicherstellen bei 100% erneuerbaren Energien

Erneuerbare Anlagen müssen Großkraftwerke in ihrer tragenden Rolle im System ersetzen – nicht nur durch ihre Leistung, sondern auch durch ihre technischen Fähigkeiten und Dienstleistungen für das System. VDE FNN sorgt mit der Entwicklung von technischen Anforderungen dafür, dass diese Anlagen entsprechend gezielt und vorausschauend weiterentwickelt werden. Damit wird ein System konzipiert, das die Integration von Erneuerbaren und deren Ausprägung von systemstützenden Fähigkeiten optimal unterstützt.

Hintergrund

Die Technischen Anwendungsregeln definieren unter dem Begriff „Fahren auf der Kennlinie“ Anforderungen an Erzeugungsanlagen, die keinen Stabilitätskriterien unterliegen. Sie stellen weder netzbildende noch systemstützende Eigenschaften sicher. Eine gewisse Durchdringung des Verbundsystems bzw. vom Verbund abgetrennter Teilsysteme mit Erzeugungsanlagen ohne netzbildende Eigenschaften ist weiterhin tolerabel, solange die Stabilität in Summe gewährleistet ist. Erzeugungseinheiten ohne netzbildende Eigenschaften müssen dann aber zumindest systemstützende Eigenschaften aufweisen. In jedem Fall sind Reglerstrukturen sowie Parametrierungen auf Basis definierter Stabilitätskriterien festzulegen. Im Mittelpunkt steht dabei die Regelung der Frequenz (Wirkleistungsbilanzierung).

Weiterentwicklung der Regelsetzung

Die Grundlage für die Systemstabilität ist die Teilnetzbetriebsfähigkeit von Erzeugungs- und Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen. Für diese werden derzeit neue Anforderungen unter Zusammenarbeit der FNN Gremien in den TARs definiert. Dabei spielen systemstützende Fähigkeiten für neue Anlagen eine entscheidende Rolle. Diese werden zukünftig als Mindestanforderung in den TARs verankert. Mit dem Rückgang von konventionellen Erzeugungsanlagen müssen erneuerbare Erzeugungsanlagen zudem derart ausgerüstet werden, dass sie die Fähigkeiten dieser Anlagen im System ersetzen können. Dazu gehören insbesondere netzbildende Eigenschaften. Damit neue Erzeugungs- und Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen diese Eigenschaften zukünftig erbringen können, ist eine schnelle Definition und Umsetzung der Anforderungen notwendig. Die entsprechenden Anforderungen werden derzeit von allen Akteuren im VDE FNN gemeinsam entwickelt und in Form eines VDE FNN Hinweises 2023 festgehalten.

EU-Aspekte

VDE FNN trägt zu einer tiefgehenden und fachlichen Diskussionen auf europäischer Ebene bei, um potenziell systemstabilitätsgefährdende Aspekte zu definieren und beheben zu können. Das systemstützende Verhalten von Erzeugungsanlagen ist kritisch für den sicheren Betrieb des Verbundnetzes und soll in der Revidierung der European Network Codes, insbesondere des NC RfG, berücksichtig werden. Das VDE FNN Infopapier “Future requirements for power system stability” wurde bei der Konsultation von ACER als Änderungsvorschlag für den NC RfG im November 2022 eingereicht.

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Systemstabilität gewährleisten: wie Erzeugungsanlagen sich systemstützend verhalten

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Das Wichtigste in Kürze

Der VDE FNN Hinweis „Netzbildendes und systemstützendes Verhalten von Erzeugungsanlagen“ beschreibt Anforderungen und Nachweise für Erzeugungsanlagen (EZA) sowie kontinuierlich regelbare Speichersysteme und Verbrauchseinrichtungen (EZVA) zur Gewährleistung der Teilnetzbetriebsfähigkeit sowie zur schnellen und stabilen Überfrequenzabregelung bei Großstörungen. Diese Fähigkeiten sind eine Grundvoraussetzung zur Wahrung der Systemstabilität. Die erforderlichen regelungstechnischen Maßnahmen gehen davon aus, dass jede EZA und EZVA innerhalb eines begrenzten Regelbereichs einen stabilen Teilnetzbetrieb bzw. Inselnetzbetrieb zulässt und Beschränkungen des Wirkleistungsgradienten nur außerhalb dieses begrenzten Betriebsbereichs zur Anwendung kommen. Der Grundansatz dabei ist Regeleigenschaften wie sie vor Jahrzehnten noch im Einsatz waren, auch für primär effizienzoptimierte Anlagen wiederzubeleben. Das beschriebene Regelverhalten wird nur bei seltenen Störereignissen vollumfänglich angefordert. Die EZA und EZVA werden im Normalbetrieb dadurch nicht zusätzlich beansprucht. Neben Festlegung und ausführlicher Begründung der Anforderungen wird aufgezeigt, wie Nachweise innerhalb des Zertifizierungsprozesses zu gestalten sind.

Kontext

Die Diskussionsergebnisse des internen FNN Expertenworkshops zum Thema „Wirkleistungsanpassung bei Über- und Unterfrequenz und Reglerstabilität“ (Oktober 2018) haben Handlungsbedarfe hinsichtlich der Weiterentwicklung der Technischen Anschlussregeln (VDE-AR-N 4105/4110/4120/4130) aufgezeigt. Die Anforderungen der genannten TARs zum „Fahren auf der Kennlinie“ und die entsprechenden Nachweise können nicht ausschließen, dass ein instabiles Verhalten von Erzeugungsanlagen auftreten kann. Im Falle der Bildung eines Teilnetzes (z. B. als Folge eines System Splits), welches aus einem Teil des Übertragungsnetzes sowie unterlagerten Verteilnetzen besteht, müssen auch die Anlagen im Verteilnetz bei einer frequenzbedingten Leistungsanpassung („Fahren auf der Kennlinie“) stabil bleiben. In der VDE-AR-N 4130 stellt der Nachweis zur Teilnetzbetriebsfähigkeit diese Stabilität sicher. In den VDE-AR-N-4105/4110/4120, sind entsprechende Anforderungen und Nachweise derzeit nicht verpflichtend verankert.

Zielgruppen

  • Netzbetreiber: können die Wichtigkeit der Anforderungen an EZA und EZVA zur Teilnetzbetriebsfähigkeit besser einschätzen und bei Netzanschlusssituation adäquat prüfen.
  • Anlagenbetreiber und Projektentwickler: können die Anforderungen und Zertifizierungsprozesse zur stabilen Teilnetzbetriebsfähigkeit rechtzeitig in die Planungs- und Realisierungskonzepte einbeziehen.
  • Hersteller von EZA und EZVA: erhalten einen rechtzeitigen Anstoß zu den notwendigen Entwicklungen von EZA- und EZVA-Komponenten und mit entsprechenden Eigenschaften und Anforderungen an die Nachweise.

Nutzen

Der VDE FNN Hinweis bietet insbesondere Herstellern, Betreibern und Planern die Möglichkeit, die zu erwartenden geänderten Anforderungen in den TARs rechtzeitig umzusetzen und diese im Zusammenhang mit der Zertifizierung der Anlagen einzuplanen.

Die Übersetzung des VDE FNN Hinweises ins Englische ist für VDE FNN Mitglieder erhältlich.