Die Digitalisierung in der Medizintechnik schreitet voran. So ist das Spektrum vernetzter Medizingeräte mittlerweile groß und reicht von der medizinischen App bis hin zum vernetzten Operationssaal. Grund genug sich mit der Frage zu befassen, wie diese Vernetzung technisch gelöst wird und welche Konsequenzen das für Hersteller und Zulieferer mit Blick auf das Design von Systemen, Geräten und Komponenten hat.
Eine aktuelle Entwicklung betrifft dabei die zugrundeliegende Vernetzungstechnologie. Hier zeichnet sich ein Wandel von 4G- oder 5G-Netzen hin zum 6G-Netz der Zukunft ab. Damit verbunden sind eine Reihe interessanter Anwendungsmöglichkeiten, aber auch Herausforderungen, wenn es darum geht, diese Zukunftstechnologie in die klinische Praxis zu überführen.
Bei der MedtecLIVE 2024 diskutieren wir die Chancen und Risiken dieser neuen Technologie. In der Fachsession „Von 5G zu 6G? Vernetzte Medizintechnik für die Gesundheitsversorgung von morgen“ geben drei ausgewiesene Experten einen Überblick über den aktuellen Stand der Technik sowie einen Ausblick in die Zukunft der vernetzten Medizin.
Welche Eigenschaften soll 6G haben?
Die International Telecommunication Union (ITU) hat kürzlich den Rahmen für die Entwicklung von Standards und Funkschnittstellentechnologien für die sechste Mobilfunk-Generation (6G) veröffentlicht. So sollen laut ITU folgende Eigenschaften das zukünftige 6G-Netzwerk ausmachen:
- Inclusivity: erschwinglicher Zugang zu Konnektivität vorzugsweise für alle
- Ubiquitous connectivity: erschwingliche Konnektivität vorzugsweise überall
- Nachhaltigkeit: Energieeffizienz und geringer Stromverbrauch
- Sicherheit und Ausfallsicherheit: Security-by-Design, Fortführung des Betriebs während eines Störfalls und schnelle Wiederherstellung nach einem Störfall
- Interoperabilität: transparente und umfassend standardisierte Schnittstellen
- Sensoren: Wahrnehmung der physischen Umgebung in Kombination mit Künstlicher Intelligenz
Dazu nennt die ITU u.a. die folgenden technischen Eigenschaften für 6G:
- Peak data rate (50 - 200 Gbit/s)
- User experienced data rate (300 Mbit/s - 500 Mbit/s)
- Area traffic capacity (30 Mbit/sm2 - 50 Mbit/sm2)
- Connection Density (106 – 108 devices/km2)
- Mobility (500 – 1000 km/h)
- Latency (0.1 - 1 ms)
- Reliability (10−5 to 10−7)
- Positioning (1 - 10 cm)
Welche Anwendungen sind vielversprechend?
Dadurch ergibt sich ein erhebliches Potenzial für unterschiedliche Anwendungen im Gesundheitswesen. So können Künstliche Intelligenz, Edge Computing, ubiquitäre Konnektivität, multisensorische Kommunikation, Ortungsfähigkeiten und Sensorik im 6G-Netzwerk eine Vielzahl digitaler Gesundheitsdienste verbessern oder erst ermöglichen. 6G-Technologie wird dazu beitragen, Medizintechnologien zu erweitern und stärker in den Alltag der Gesundheitsversorgung zu integrieren. Auch batterielose IoT-Geräte können von der Steigerung der Energieeffizienz und dem verringerten Stromverbrauch profitieren oder erst ermöglicht werden. Vielversprechende Beispiele für 6G-Anwendungen in der Medizin sind:
- Telechirurgie
- Telemonitoring
- AR / VR / Holographie / Metaverse
- 6G unterstützter Rettungsdienst
- Asset Tracking und Logistik im vernetzten Krankenhaus
- taktile Kommunikation in der Medizin
- vernetzter OP
- Internet of Medical Things (IoMT)
- Wearables
- vernetzte Implantate und Prothesen
- Automatisierung in der Medizin
- Roboter und Assistenzsysteme in der Medizin
Das Projekt 6G Health
Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Verbundprojekt „6G Health“ ist Teil der 6G Initiative des BMBF und entwickelt 6G-Komponenten für zukünftige Medizintechnikanwendungen gemeinsam mit klinischen Partnern. Christoph Lips vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) befasst sich dabei u.a. mit den technologischen Möglichkeiten und Grenzen von 5G und 6G-Technologien für die Medizin. „Die mit der zukünftigen 6G Technologie vernetzten Systeme zeichnen sich gegenüber 5G Netzen vor allem durch einen signifikanten Zuwachs an Geschwindigkeit, Kapazität und Zuverlässigkeit aus. Im Rahmen des 6G-Health Projektes untersuchen wir am DFKI gemeinsam mit unseren Projektpartnern, welche Leistungsmerkmale diese nächste Mobilfunk-Generation aufweisen muss, um den Anforderungen der medizinischen Versorgung bestmöglich zu genügen. Dabei werden unterschiedliche Methoden der Künstlichen Intelligenz, bspw. auch in der Orchestrierung und dem Management der Netze, zum Einsatz kommen“, beschreibt Christoph Lipps.
Die Entwicklung von 6G steht noch ganz am Anfang. Erste Netze auf Basis der 6. Mobilfunk-Generation wird es in Europa vermutlich erst ab 2030 geben. Zudem werden 6G Netze mehr sein als reine Funknetze, denn als „Netz der Netze“ integriert der neue 6G Mobilfunkstandard Sensorik, Mobilfunk und Rechenleistung vor-Ort, dem "Edge-Computing". Damit lassen sich Verknüpfungen der realen Welt mit virtuellen Welten realisieren. In der medizinischen Anwendung werden Kommunikation und Interaktion zwischen Menschen und Maschine eine wichtige Rolle spielen, zum Beispiel bei der engmaschigen Überwachung von Patienten unter harten Echtzeitbedingungen, wie etwa Herzpatienten, die bislang nur stationär über mehrere Jahre hinweg betreut werden konnten. „Dazu sind zum einen besonders niedrige Latenzzeiten erforderlich, die in 6G-Netzen realisiert werden können. Außerdem wird das 6G-Netzwerk mit den Medizinprodukten zusammenarbeiten, um die Qualität telemedizinischer Behandlungen jederzeit abzusichern“, erläutert Tobias Pabst vom Innovation Center Computer Assisted Surgery (ICCAS), Institut der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig. „Im Projekt 6G Health konzentrieren wir uns auf drei exemplarische Anwendungsbereiche: Patienten-Telemonitoring, raumübergreifende telemedizinische Kollaboration in der Versorgung und das intelligent vernetzte Krankenhaus“.
Bei der Einführung von 6G-Technologie in der Medizin gibt es unterschiedliche Herausforderungen. Neben technologischen und ökonomischen Fragen stellen sich auch normative und regulatorische Fragen. Diese werden daher im Projekt 6G Health ebenfalls frühzeitig aufgegriffen. „Wir müssen identifizieren, welche Standards und innovativen regulatorische Vorgehensweisen benötigt werden, um die Verbindung der medizinischen Systeme mit den Mobilfunknetzen unter Verwendung von 6G-Technologie zu vereinfachen. Interoperabilität bei gleichzeitiger regulatorischer Compliance ist das Stichwort!", sagt Hans Wenner vom Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDE). "Denn die gesetzlichen Sicherheits- und Leistungsanforderungen für Medizinprodukte müssen von Anfang an im 6G-Netz erfüllt werden", ergänzt Wenner. An dieser Stelle bringt der VDE seinen „Compliance-by-Design“-Ansatz in das Projekt 6G Health ein, bei dem regulatorische Anforderungen bereits in frühen Phasen der Entwicklung von Medizinprodukten berücksichtigt werden. Ziel ist es, einerseits den Dokumentationsaufwand in späteren Entwicklungsphasen gering zu halten und andererseits die Integration von Komponenten in die sich ergebenden komplexen Systeme zu erleichtern. Hans Wenner erläutert dazu bei der MedtecLIVE, wie Medizingeräte und nicht-medizinische Geräte oder Komponenten möglichst einfach aber konform miteinander vernetzt werden können („MD Comp Framework“). Diese Frage gewinnt sowohl für die Krankenhäuser als auch die Hersteller immer mehr an Bedeutung, da mit zunehmender Vernetzung auch Komplexität, Aufwand und zu beherrschende Risiken steigen.
Die Experten bei der MedtecLIVE 2024
Wir würden uns freuen, Sie bei der MedtecLIVE zu treffen und mit Ihnen in die Diskussion der 6G vernetzten Medizin der Zukunft einzusteigen! Die Session: „Von 5G zu 6G? Vernetzte Medizintechnik für die Gesundheitsversorgung von morgen“ findet am 18. Juni 2024 von 11:45 bis 12:45 Uhr auf dem Messe-Forum (1-331) an der Messe Stuttgart statt. Die Referenten und ihre Vorträge:
- Christoph Lips, DFKI
"Von 5G zu 6G-Technologie: Vision, technologische Möglichkeiten und Grenzen" - Tobias Pabst, Universität Leipzig
"6G Health: Vernetzung und intelligente Systeme als Grundlage für innovative Medizintechnik" - Hans Wenner, VDE
"Der MD-Comp Ansatz: Wie können Medizingeräte und nicht-medizinische Geräte oder Komponenten konform und möglichst einfach vernetzt werden?"
Gerne können Sie auch kostenfreie Gutscheincodes der Messe Nürnberg nutzen. Bitte nutzen Sie dazu den Code VDEMTL24 unter https://www.medteclive.com/de/tickets.