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16.03.2023 Fachinformation

Qualitätsmanagement für Medizinprodukte nach MDR und ISO 13485

Das Qualitätsmanagementsystem ist obligatorischer Bestandteil eines Herstellers von Medizinprodukten.

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Dr. Thorsten Prinz

Das Qualitätsmanagementsystem (QMS) ist zentraler Bestandteil eines Medizinprodukteherstellers. Mit Inkrafttreten der europäischen Verordnungen über Medizinprodukte (MDR) bzw. In Vitro-Diagnostika (IVDR) hat die Bedeutung des Qualitätsmanagements noch weiter zugenommen. Auch Hersteller von Medizinprodukten der Risikoklasse I sind nun verpflichtet ein QMS zu haben. Viele weitere regulatorische Anforderungen sind unmittelbar mit dem Qualitätsmanagement verknüpft.

Was zeichnet ein Qualitätsmanagement aus?

Ziel des Qualitätsmanagements ist es, definierte Qualitätsziele reproduzierbar zu erreichen. Dazu systematisiert eine Organisation alle Arbeitsabläufe, definiert davon ausgehend Prozesse und dokumentiert diese. Das QMS umfasst folglich alle Arbeitsabläufe einer Organisation inklusive deren Dokumentation.

Ein QMS ist nicht statisch. Ziel ist es, kontinuierliche Verbesserungen der Qualität zu erreichen und die Anforderungen aller Stakeholder zu erfüllen. Daher muss die Organisation die Prozesse laufend kontrollieren und Verbesserungsmaßnahmen vornehmen. Hier spielt der Plan > Do > Check > Act (PDCA) Zyklus eine wichtige Rolle.

Das QMS betrachtet 3 Prozessarten:

  • Managementprozesse
  • Kernprozesse und
  • Unterstützungsprozesse.

Die Kernprozesse umfassen die wertschöpfenden Arbeitsabläufe, d.h. hier plant, entwickelt, produziert und vermarktet die Organisation ihre Produkte oder Dienstleistungen. Die Unterstützungsprozesse sind nicht minder wichtig und beziehen sich z. B. auf Materialbeschaffung oder Korrektur- und Verbesserungsmaßnahmen. Die Managementprozesse umfassen Tätigkeiten, die in der Regel bei der Leitung der Organisation angesiedelt sind.

Die ISO 9001 ist die international anerkannte Norm für branchenübergreifende Qualitätsmanagementsysteme. Sie fokussiert auf die Kundenzufriedenheit sowie die ständige Verbesserung des QMS.

Bei QMS für Medizinprodukte findet die Norm ISO 13485 Anwendung, bei der außerdem die Sicherheit der Medizinprodukte im Fokus steht. Die ISO 13485 richtet sich an Unternehmen, die an einer oder mehreren Phasen des Lebenszyklus von Medizinprodukten beteiligt sind, „einschließlich Entwicklung, Produktion, Lagerung und Vertrieb, Installation oder die Instandhaltung eines Medizinproduktes und Entwicklung oder Bereitstellung von damit zusammenhängenden Tätigkeiten (z. B. technischer Support)“.

Anforderungen der MDR an ein Qualitätsmanagementsystem

Im Artikel 10 (9) „Allgemeine Pflichten der Hersteller“ legt die MDR fest, dass Hersteller ein QMS „einrichten, dokumentieren, anwenden, aufrechterhalten, ständig aktualisieren und kontinuierlich verbessern müssen“. Das QMS muss mindestens die folgenden Aspekte umfassen:

  • Einhaltung der Regulierungsvorschriften
  • Einhaltung der Konformitätsbewertungsverfahren
  • Management von Änderungen am Produkt
  • Einhaltung der grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen
  • Verantwortlichkeit der Leitung
  • Ressourcenmanagement
  • Risikomanagement
  • klinische Bewertung und Nachbeobachtung
  • Produktrealisierung
  • Produktrückverfolgung
  • System zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen
  • Kommunikation mit allen beteiligten Kreisen
  • Vigilanz
  • Management korrektiver und präventiver Maßnahmen
  • Produktverbesserung

Das QMS umfasst alle Elemente der Organisation eines Herstellers, die zur Produktqualität in Bezug stehen.

Die Norm ISO 13485

Die ISO 13485 beschreibt folgende wesentlichen Aspekte und folgt dem PDCA-Zyklus in ihrem Aufbau.

Plan

Die Kapitel 4, 5 und 6 der ISO 13485 legen die allgemein Anforderungen an das QMS fest und beschreiben die Verantwortung der Leistung sowie qualitätsrelevante Aspekte des Ressourcenmanagements (>Plan).

Die Leitung einer Organisation definiert, überwacht und verantwortet die Qualitätspolitik sowie -ziele, stellt die erforderlichen Ressourcen bereit und legt Rollen und (Teil-)Verantwortlichkeiten fest. Dies schließt die Ernennung eines Beauftragten der Leitung mit ein. Der Beauftragte stellt sicher, dass alle für das QMS erforderlichen Prozesse dokumentiert werden. Außerdem berichtet der Beauftragte über Wirksamkeit und Verbesserungspotenziale an die Leitung und fördert die Anwendung des QMS in der Organisation.

Es liegt eine schriftlich dokumentierte Qualitätspolitik vor, aus der messbare Qualitätsziele abgeleitet werden, und deren Nachverfolgung Grundlage für Korrekturmaßnahmen ist. Die Leitung einer Organisation bewertet laufend die Erreichung und Angemessenheit von Qualitätszielen als Teil des Management-Reviews.

Die Leitung einer Organisation trägt dafür Sorge, dass involvierte Mitarbeiter angemessen qualifiziert sind bzw. qualifiziert werden und dieses auch nachweisen können. Ist das QMS durch eine Benannte Stelle zertifiziert, überwacht diese das QMS über Audits. Daher unternimmt die Organisation regelmäßig interne Audits ihres QMS, um sich von dessen Eignung im praktischen Betrieb zu überzeugen.

Do

Das Kapitel 7 der ISO 13485 legt die Anforderungen an die Realisierung der Produktion und Dienstleistungserbringung fest (>Do).

Am Anfang eines Medizinprodukts steht dessen Entwicklung. Die Organisation muss die Entwicklung planen und bereits frühzeitig mit den regulatorischen Anforderungen mit Blick auf Zweckbestimmung bzw. bestimmungsgemäßem Gebrauch verknüpfen. Die Entwicklungsergebnisse werden laufend bewertet, die Vorgehensweise ggf. geändert, dokumentiert und an die Produktion übergeben.

Die Organisation muss sicherstellen, dass jedes Produkt nach den im QMS festgelegten Anforderungen hergestellt wird. Die dazugehörigen Prozesse zur Produktion und Dienstleistungserbringung müssen in der Regel validiert werden. Grundsätzlich muss der Hersteller alle Aspekte, welche die Qualität der Produkte beinträchtigen können im Rahmen des QMS adressieren und kontrollieren. Hierzu gehören auch Transport und Lagerung sowie Abgabe oder Installation vor Ort. Sind Zulieferer eingebunden, muss die Organisation auch Beschaffung von Materialien, Komponenten oder Gewerken planen und verifizieren.

Check

Die Kapitel 8.1 bis 8.4 der ISO 13485 legen die Anforderungen an die Messung und Analyse fest, die eine Überprüfung der im QMS festgelegten Tätigkeiten zum Ziel haben (>Check).

Die Organisation muss ein geeignetes Rückmeldesystem zur Konformität der Produkte aufbauen, Reklamationen erfassen und ein Produkt auf dem Markt überwachen. Das Rückmeldesystem muss den Anforderungen der MDR an die Post-Market Surveillance entsprechen und auch über einen Prozess verfügen, mit dem schwerwiegende Vorkommnisse im Zuge der Vigilanz an die zuständigen Behörden gemeldet werden.

Insgesamt ist es Aufgabe der Organisation, zu gewährleisten, dass alle verfügbaren und relevanten Daten zur Verwendung eines Produkts auf dem Markt erhoben und ausgewertet werden. Diese sind sowohl Grundlage für die stetige Produktverbesserung im Sinne der Kunden als auch für die stetige Verbesserung von Sicherheit und Leistungsfähigkeit eines Produkts im Sinne der Patienten und des Gesetzgebers.

Weiterhin muss der Hersteller auch die Konformität des QMS sicherzustellen und dessen Wirksamkeit aufrechterhalten. Hier spielen Aktivitäten wie interne Audits und Prozessmessungen eine wesentliche Rolle.

Act

Das Kapitel 8.5 der ISO 13485 legt die Anforderungen an die Verbesserung der Produkte und des QMS fest (>Act).

Die Organisation schließt den PDCA-Zyklus, indem Sie aus den Daten zur Produktverwendung auf dem Markt Rückschlüsse zieht und Verbesserungsmaßnahmen einleitet. Diese Maßnahmen werden als Korrektur- und Vorbeugemaßnahmen (Corrective Actions and Preventive Actions, CAPA) bezeichnet. Um zu geeigneten bzw. angemessenen CAPAs zu kommen, bietet es sich an, den Produkt- oder Anwendungsfehlern mittels einer detaillierten Root Cause Analysis (RCA) auf den Grund zu gehen. Die Organisation passt ihr QMS laufend an die neuen Erkenntnisse an.

Praktische Umsetzung eines QMS

Die praktische Umsetzung eines QMS nach ISO 13485 verläuft von Fall zu Fall sehr unterschiedlich. Für den Start eines QMS-Projektes im Unternehmen empfiehlt sich beispielsweise die Anwendung der VDE Quality-Map

Schritt 1: Stakeholder ermitteln

  • Wer sind die Kunden?
  • Welche Regulatoren (z. B. Gesetzgeber, Normungsorganisationen) sind für den Marktzugang des Produktes wichtig?
  • Mit welchen Behörden hat die Organisation zu tun?
  • Wer sind die Händler?
  • Gibt es einen Bevollmächtigten / Importeur?
  • Wer ist der Eigner der Organisation?
  • Gibt es Zulieferer?
  • Handelt es sich bei den identifizierten Stakeholdern um interne oder externe?

Schritt 2: Produkte definieren

  • Das Ziel ist es, den Kunden mit einem sicheren und leistungsfähigen Produkt zufriedenzustellen
  • Was wird dem Kunden als Produkt (oder Dienstleistung) angeboten?
  • Für welche Indikation und für welche Zielgruppe sind die Produkte gedacht?

Schritt 3: Regularien identifizieren

  • Welche Gesetze müssen befolgt werden? (Achtung: Dies betrifft alle einschlägigen Gesetze für das jeweilige Produkt, z. B. auch die EU Datenschutzgrundverordnung (DSGVO))
  • Gibt es einschlägige Leitfäden vom jeweiligen Gesetzgeber oder anderen Stakeholdern, die wichtig für die Interpretation der gesetzlichen Anforderungen sind?
  • Welche Normen können wichtig sein, um die Konformität mit den gesetzlichen Anforderungen zu erlangen? In der Reihenfolge harmonisierte europäische Norm, europäische Norm und internationale Norm

Schritt 4: Prozesse identifizieren

  • Die Norm ISO 13485 für das Qualitätsmanagement von Medizinprodukten fordert die Dokumentation bestimmter Prozesse
  • Welche in der ISO 13485 geforderten Prozesse sind auf unser Produkt nicht anwendbar und warum?
  • Welche Prozesse werden durch die einschlägigen Gesetze (MDR, DSGVO etc.) gefordert?
  • Welche weiteren Prozesse können das Qualitätsmanagementsystem sinnvoll ergänzen?
  • Wer ist für welchen Prozess zuständig?

Im Ergebnis entsteht eine individuelle Prozesslandschaft einer Organisation in Bezug auf alle Aktivitäten, die im gesamten Lebenszyklus eines oder mehrerer Medizinprodukte erforderlich sind. Im Mittelpunkt der Dokumentation steht das Qualitätsmanagement-Handbuch, welches die Gesamtheit des QMS beschreibt. Verfahrensanweisungen (oder Prozessbeschreibungen) dokumentieren die eigentliche Prozessdurchführung, d. h. die Arbeitsabläufe in der Organisation. Darüber hinaus gibt es mitgeltende Dokumente, wie etwa Vorlagen für Pläne und Berichte, Informationsdokumente oder Arbeitsanweisungen.

Auf der Basis von mitgeltenden Dokumenten, werden Aufzeichnungen erstellt, die dem Nachweis dienen, dass Tätigkeiten entsprechend den QMS-Vorgaben ausgeführt wurden. Sowohl Dokumente als auch Aufzeichnungen müssen gelenkt werden, d. h. es gibt einen definierten Freigabe-Workflow im Unternehmen und die Auffindbarkeit und Eindeutigkeit ist klar geregelt. Als internationale Norm fordert die ISO 13485 zum Nachweis der Konformität mit den regulatorischen Anforderungen (in der EU mit der MDR) eine Medizinprodukteakte mit allen generierten Aufzeichnungen. In der EU ist die Medizinproduktakte in wesentlichen Teilen deckungsgleich mit der Technischen Dokumentation eines Medizinprodukts.

Darüber hinaus stellt sich aus praktischer Sicht die Frage, wie ein QMS technisch implementiert werden soll. Das Spektrum reicht von papierbasierten Aktenordnern über spezielle webbasierte Cloud-Lösungen bin hin zu lizenzbasierter On-Premises Software. Auch hier ist die individuelle Situation einer Organisation maßgeblich für die Auswahl der besten Lösung.

Die ISO 13485 gilt als die international einschlägige Norm für Qualitätsmanagementsysteme von Medizinproduktherstellern. Rechtlich verpflichtend ist die Anwendung der ISO 13485 allerdings nicht. Zudem sind die gesetzlichen Anforderungen der MDR an QMS nicht deckungsgleich mit denen der ISO 13485. Aus diesem Grund ist die aktuelle europäische Ausgabe EN ISO 13485:2021-12 um Z-Anhänge ergänzt worden, die den Zusammenhang zwischen den Abschnitten der Norm und den Anforderungen der MDR (und der IVDR) im Einzelnen herstellen. In unserem Fachbeitrag “Qualitätsmanagementsystem für Medizinprodukte: Was brauche ich wirklich?” gehen wir im Detail auf die praktische Implementierung eines QMS gemäß MDR und EN ISO 13485:2021-12 am Beispiel einer Software als Medizinprodukt ein.

Zusammenfassung

Die europäischen Verordnungen über Medizinprodukte (MDR) bzw. In Vitro-Diagnostika (IVDR) erhöhen die Anforderungen an das Qualitätsmanagementsystem von Medizinproduktherstellern und Zulieferern. Neben den bereits erörterten Aspekten ergibt sich sogar noch eine weitere Anforderung: Die neu eingeführte Verantwortliche Person nach Artikel 15 MDR ist ausdrücklich auch dafür verantwortlich, dass die Konformität der Produkte zum Qualitätsmanagementsystem geprüft wird.

Trotz der aufwändigen regulatorischen Erfordernisse sollte der Fokus eines QMS nicht dessen sture Abarbeitung sein. Im Mittelpunkt stehen das Patientenwohl und die produktbezogenen Qualitätsziele. Die Compliance ergibt sich dann daraus. Andersherum lässt sich diese Schlussfolgerung nicht ziehen.

Trotz aller gesetzlichen bzw. normativen Vorgaben ist die Einführung eines QMS ein individueller Prozess und erfordert eine maßgeschneiderte Lösung für die jeweiligen Anforderungen eines Unternehmens. Wir unterstützen Sie gerne bei der Implementierung einer möglichst schlanken, aber effektiven und konformen Prozesslandschaft. 

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