Wir stellen bei unserer Beratung von Herstellern immer wieder fest, dass die „Wege zur CE-Kennzeichnung“ allein durch Lesen der Medizinprodukteverordnung nicht zielsicher gefunden werden. Deshalb geben wir Ihnen in diesem Beitrag einen kleinen Wegweiser an die Hand, der Sie bei der Navigation unterstützen soll.
Vor dem Wegweiser aber einige wichtige Fragen und Antworten vorab:
Benötige ich ein Qualitätsmanagementsystem?
Bei der Auswahl eines geeigneten Verfahrens zur Konformitätsbewertung spielt das Qualitätsmanagementsystem (QMS) eine zentrale Rolle. So werden wir in unserer Beratungspraxis immer wieder mit der Frage konfrontiert: „Brauche ich ein QMS und falls ja: welches?“.
Die Antwort ist: ja.
Siehe Artikel 10 Absatz 9 der Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte (MDR):
(9) Die Hersteller sorgen dafür, dass sie über Verfahren verfügen, die gewährleisten, dass die Anforderungen dieser Verordnung auch bei serienmäßiger Herstellung jederzeit eingehalten werden. Änderungen an der Auslegung des Produkts oder an seinen Merkmalen sowie Änderungen der harmonisierten Normen oder der GS, auf die bei Erklärung der Konformität eines Produkts verwiesen wird, werden zeitgerecht angemessen berücksichtigt. Die Hersteller von Produkten, bei denen es sich nicht um Prüfprodukte (Produkte, die im Rahmen einer klinischen Prüfung bewertet werden, Anm. d. Autors) handelt, müssen ein Qualitätsmanagementsystem einrichten, dokumentieren, anwenden, aufrechterhalten, ständig aktualisieren und kontinuierlich verbessern, das die Einhaltung dieser Verordnung auf die wirksamste Weise sowie einer der Risikoklasse und der Art des Produkts angemessenen Weise gewährleistet.
Das Qualitätsmanagementsystem umfasst alle Teile und Elemente der Organisation eines Herstellers, die mit der Qualität der Prozesse, Verfahren und Produkte befasst sind. Es steuert die erforderliche Struktur und die erforderlichen Verantwortlichkeiten, Verfahren, Prozesse und Managementressourcen zur Umsetzung der Grundsätze und Maßnahmen, die notwendig sind, um die Einhaltung der Bestimmungen dieser Verordnung zu erreichen. […]
Eine klare Aussage!
Decken die ISO 13485 oder eine andere QM-Norm wie ISO 9001 alle Anforderungen an das Qualitätsmanagementsystem ab?
Nein, leider nicht.
Die Einhaltung der ISO 13485 allein deckt nicht alle Anforderungen an ein solches QMS ab. Das sprengt allerdings den Rahmen dieses Beitrags.
Was ist der Unterschied bei den Konformitätsbewertungsverfahren?
Die Konformitätsbewertungsverfahren unterscheiden sich in Abhängigkeit von der Klassifizierung ihres Produkts darin
- ob eine Benannte Stelle benötigt wird (sie wird für Klasse-I-Produkte nicht benötigt);
- wie das Qualitätsmanagementsystem bewertet wird (entweder in Form eines Audits oder durch Überprüfung von Produkten aus der Fertigung).
Genau damit beschäftigt sich dieser Beitrag.
Beschreibt dieser Beitrag alle möglichen Spielarten von Produkten und Zulassungsverfahren?
Definitiv: nein!
Die in diesem Beitrag beschriebenen Konformitätsbewertungsverfahren beziehen sich auf schätzungsweise 80% der Medizinprodukte. Es gibt aber Besonderheiten und Fallstricke, beispielsweise bei Sonderanfertigungen oder Prüfprodukten, bei Produkten, die in sterilem Zustand in Verkehr gebracht werden, bei Produkten mit Messfunktion, bei Produkten, die beim Inverkehrbringen oder bei der Inbetriebnahme als integralen Bestandteil einen Stoff enthalten, der für sich allein genommen als Arzneimittel im Sinne von Artikel 1 Nummer 2 der Richtlinie 2001/83/EG gelten würde, usw. usf.
Wenden Sie sich bei derartigen Produkten – wie bei allen Fragen, die bei der Wahl des geeigneten Konformitätsbewertungsverfahrens auftreten – gerne an uns! Wir klären Ihre Fragen in einem individuellen Gespräch.
Benötige ich immer eine Technische Dokumentation (siehe Anhang II und Anhang III der MDR)?
Definitiv: ja!
Die technische Dokumentation ist eine Zusammenstellung aller relevanten Dokumente eines Produkts. Sie muss während des gesamten Produktlebenszyklus auf dem aktuellsten Stand gehalten werden. Die technische Dokumentation ist Grundlage für die Konformitätsbewertung und damit für die CE Kennzeichnung eines Produktes.
Mehr Information im Fachbeitrag: Technische Dokumentation von Medizinprodukten nach MDR
Wege zur CE-Kennzeichnung – Überblick
Die Wahl des Konformitätsbewertungsverfahrens wird durch die Klassifizierung des Produkts bestimmt. Gemäß Artikel 51 bzw. Anhang VIII der MDR werden die Produkte unter Berücksichtigung ihrer Zweckbestimmung und der damit verbundenen Risiken in die Klassen I, IIa, IIb und III eingestuft. Zusätzlich sind noch die Klasse Is/m/r für Produkte der Klasse I, die steril geliefert werden (Is), eine Messfunktion besitzen (Im) oder wiederverwendbare chirurgische Instrumente sind (Ir) zu unterscheiden.
Aus der Klassifizierung ergeben sich die in Artikel 52 der MDR beschriebenen möglichen Konformitätsbewertungsverfahren.