Die Ethik-Kommission des jeweiligen Mitgliedstaates ist ein unabhängiges Gremium und gibt auf der Grundlage der nationalen Gesetzgebung eine Stellungnahme zu der geplanten klinischen Prüfung ab (Art. 62 (3)). Außerdem soll die Ethik-Kommission „Standpunkte von Laien, insbesondere Patienten oder Patientenorganisationen“ berücksichtigen (Art. 2 (56)).
Die Ethik-Kommissionen unterliegen den jeweiligen nationalen Anforderungen und arbeiten daher unterschiedlich. Die MDR verlangt jedoch, dass die Verfahren der Ethik-Kommission mit der Verordnung vereinbar sind. Dies ist eine Herausforderung für Sponsoren, insbesondere wenn sie multizentrische Prüfungen in verschiedenen Mitgliedstaaten planen.
Design
Das Design der klinischen Prüfung muss zwei Prinzipien folgen:
- das Wohlbefinden der Probanden (minimale Risiken und minimale Beeinträchtigungen) und
- Generierung wissenschaftlich valider, zuverlässiger und robuster klinischer Daten.
Die Grundlage der klinischen Prüfung ist der CIP, der Informationen über Art, Struktur und Parameter enthält (Nr. 3 Anhang XV, Kapitel II). Die Richtlinie MDCG 2024-3 beschreibt ausführlich die notwendigen Inhalte des CIP.
Die klinische Prüfung muss dem „dem Stand von Wissenschaft und Technik“ entsprechen (Nr. 2.1 Anhang XV, Kapitel I). Die klinischen Methoden müssen für das Prüfprodukt geeignet sein (Nr. 2.2 Anhang XV, Kapitel I) und die technischen und funktionellen Merkmale des Prüfprodukts hinsichtlich Sicherheit und Leistung berücksichtigen (Nr. 2.5 Anhang XV, Kapitel I). Schließlich muss eine ausreichende Anzahl von Probanden einbezogen werden, um wissenschaftlich valide Ergebnisse zu erhalten. Daher muss der Sponsor die Stichprobengröße auf der Grundlage plausibler Erfolgskriterien berechnen. Außerdem muss die klinische Umgebung für die normalen Anwendungsbedingungen repräsentativ sein (Nr. 2.1 und 2.4 Anhang XV, Kapitel I). Die klinische Prüfung muss im Einklang mit dem CIP gemäß Nr. 1 (a) Anhang XIV, Teil A stehen.
Die EU-Kommission wird voraussichtlich die Kriterien für das Studiendesign genauer definieren, z.B. durch die Ausarbeitung gemeinsamer Spezifikationen (Art. 9). Wir empfehlen, dieses vor der Entwicklung des Studiendesigns zu prüfen.
Interaktion mit Prüfungsteilnehmern
Das Wohlergehen der Betroffenen ist für den europäischen Gesetzgeber von höchstem Interesse. Detaillierte Bestimmungen spiegeln dies wider:
- Schutz vulnerabler Personengruppen (z. B. schwangere Frauen) und Probanden (Art. 64-68),
- Einschränkungen für die Einwilligung von Probanden, die einen gesetzlichen Vertreter haben (z. B. Kinder),
- Recht der Probanden auf körperliche und geistige Unversehrtheit, Privatsphäre und Schutz personenbezogener Daten sowie
- Verhinderung unzulässiger Rekrutierungspraktiken.
Der Sponsor muss den Prüfungsteilnehmern Informationen zur Verfügung stellen, die „umfassend, knapp, klar, zweckdienlich und für den Prüfungsteilnehmer oder seinen gesetzlichen Vertreter verständlich“ (Art. 63 (2)) sind und Teil der Einwilligung nach Aufklärung sind. Um die Lesbarkeit zu gewährleisten, sollte das Formular zur Einwilligung nach Aufklärung eine angemessene Länge nicht überschreiten. Außerdem muss der Sponsor das Verständnis des Prüfungsteilnehmer durch ein Gespräch überprüfen (Art. 63 (5)).
Durchführung
Insgesamt ist die Durchführung klinischer Prüfungen in Art. 72 und Anhang XV, Kapitel III geregelt. Der Sponsor hat mehrere wichtige Aufgaben, die bereits oben beschrieben wurden. Im Wesentlichen muss der Sponsor die folgenden Punkte beachten:
- kontinuierliche Einhaltung des CIP,
- kontinuierliche Überwachung der Durchführung (im Einklang mit der guten klinischen Praxis),
- sorgfältiger Umgang mit klinischen Daten (Sammlung, Speicherung, Bewertung, Schutz und Sicherheit) sowie
- sorgfältiger Umgang mit Vigilanzdaten und Behandlung von Notfällen mittels eines festgelegten Verfahrens.
Sofern es beabsichtigt ist, Änderungen an einer klinischen Prüfung vorzunehmen, die wahrscheinlich wesentliche Auswirkungen auf die Sicherheit, die Gesundheit oder die Rechte der Probanden oder auf die Belastbarkeit oder Zuverlässigkeit der gewonnenen klinischen Daten haben, hat der Sponsor den/die Mitgliedstaat(en), in dem/denen eine klinische Prüfung durchgeführt wird oder werden soll zu benachrichtigen (vgl. Erläuterungen in MDCG 2021-28).
Unerwünschte Ereignisse
In den Definitionen in Art. 2 wird zwischen „unerwünschtem Ereignis“ und „schwerwiegendem unerwünschtem Ereignis“ unterschieden. Die Merkmale für ein unerwünschtes Ereignis sind:
- unerwünschtes medizinisches Vorkommnis,
- eine unbeabsichtigte Krankheit oder Verletzung,
- unerwünschte klinische Symptome (einschließlich abnormaler Laborbefunde), und
- kein zwingender Zusammenhang mit dem Prüfprodukt.
Die Richtlinie MDCG 2020-10/1 erläutert im Detail die Sicherheitsberichterstattung bei klinischen Prüfungen mit Medizinprodukten. Die Richtlinie MDCG 2020-10/2 stellt ein Formular für die Zusammenfassung des Sicherheitsberichts einer klinischen Prüfung zur Verfügung.
Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse führen zu schwerwiegenden Folgen für das Leben oder die Gesundheit des Patienten. Der Sponsor muss schwerwiegende unerwünschte Ereignisse immer aufzeichnen und melden (Art. 80 (1-2)). Im Gegensatz zur ISO 14155 fordert die MDR, nur diejenigen unerwünschten Ereignisse aufzuzeichnen, die „im klinischen Prüfplan als entscheidend für die Bewertung der Ergebnisse dieser klinischen Prüfung bezeichnet wurden“ (Art. 80 (1)). Außerdem muss der Sponsor Produktmängel melden, die zu schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen führen können (Art. 80 (2)).
Grundsätzlich hängt die Meldefrist von der Schwere des unerwünschten Ereignisses ab (Art. 80 (2)). Treten schwerwiegende unerwünschte Ereignisse oder Produktmängel bei einer klinischen Prüfung auf, die in mehreren Mitgliedstaaten durchgeführt wird, wird eine koordinierte Bewertung eingeleitet (Art. 80 (4)). Die Konsequenzen können von der Änderung über die Aussetzung bis hin zum Abbruch der klinischen Prüfung reichen.
Berichterstattung
In Nr. 7 Anhang XV Kapitel III ist die Struktur des klinischen Prüfberichts (clinical investigation report, CIR) detailliert festgelegt. Prüfen Sie noch einmal sorgfältig, welche Unterschiede zu den Vorgaben in Anhang D der ISO 14155 bestehen, wie z.B. die Angabe der UDI. Bislang hat die ISO 14155 den Herstellern nur empfohlen, sowohl die positiven als auch die negativen Ergebnisse der klinischen Prüfung zu veröffentlichen. Die ISO 14155 (Anhang D) verlangt jedoch nicht ausdrücklich die Aufnahme negativer Ergebnisse in das CIR. Die Forderung nach einer Zusammenfassung in „leicht verständlicher Sprache“ ist neu (vgl. Commission Guidance on the content and structure of the summary of the clinical investigation report). Der Sponsor muss die Zusammenfassung, wie den CIR, über EUDAMED einreichen (Art. 77 (5)).
Empfehlungen
- Informieren Sie sich über die strafrechtlichen Bestimmungen der Mitgliedstaaten zu klinischen Prüfungen (z. B. im deutschen Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG)).
- Informieren Sie sich über die Anforderungen seitens der zuständigen Behörden in den Mitgliedsstaaten (z. B. das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)).
- Informieren Sie sich über gemeinsame Spezifikationen sowie delegierte und Durchführungsrechtsakte der Europäischen Kommission in Bezug auf klinische Prüfungen.
- Informieren Sie sich über neue oder geänderte Veröffentlichungen der Medical Device Coordination Group (MDCG) der Europäischen Kommission.
- Bewerten Sie im Hinblick auf die neuen regulatorischen Anforderungen der MDR den Bedarf an klinischen Nachweisen für Ihre Produkte und entwickeln Sie eine geeignete Strategie.
- Etablieren Sie die notwendigen Arbeitsabläufe und effizienten Strukturen, z. B. in Bezug auf die Erstellung und Aktualisierung von klinischen Bewertungen, Risikomanagement und Qualitätsmanagement, Vigilanz und Post-Market Surveillance (PMS) System.
- Auf der Website von CONSORT (Consolidated Standards Of Reporting Trials) finden Sie weitere Informationen zur Berichterstattung. Eine weitere wertvolle Ressource ist die Website von STROBE (Strengthening the Reporting of Observational Studies in Epidemiology), die von der Universität Bern betrieben wird.