Die Gebrauchsanweisung für Medizinprodukte wird oftmals in ihrer Wichtigkeit unterschätzt, obwohl die Inhalte in der einschlägigen Gesetzgebung detailliert reguliert sind. In diesem Beitrag erläutern wir die gesetzlichen sowie normativen Anforderungen für Gebrauchsanweisungen und werfen einen Blick auf die besonderen Inhalte für (KI-basierte) Software.
Gesetzliche Anforderungen an die Gebrauchsanweisung
In Art. 2 (14) der Verordnung (EU) über Medizinprodukte (MDR) werden als wesentliche Aufgaben der Gebrauchsanweisung die Kommunikation der Zweckbestimmung des Produktes und der korrekten Verwendung sowie von „eventuell zu ergreifenden Vorsichtsmaßnahmen“ gegenüber dem Anwender genannt. Diese „Vorsichtsmaßnahmen“ beziehen sich auf die dritte Möglichkeit der Maßnahmen zur Risikokontrolle im Rahmen des Risikomanagements, nämlich den „Sicherheitsinformationen (Warnungen, Vorsichtshinweise, Kontraindikationen)“ (Nr. 4 c) Anhang I MDR).
Die Gebrauchsanweisung ist Teil der technischen Dokumentation eines Medizinproduktes (Nr. 2 Anhang II MDR) und damit des Konformitätsbewertungsverfahrens. Sie ist für alle Medizinprodukte verpflichtend, sofern nicht die eng gefasste Ausnahmeregelung für bestimmte Klasse-I- und Klasse-IIa-Produkte in Nr. 23.1. d) Anhang I MDR zur Anwendung kommt.
Detaillierte Anforderungen zum Inhalt der Gebrauchsanweisung finden sich im Abschnitt „23. Kennzeichnung und Gebrauchsanweisung“ des Anhang I MDR. Gegenüber dem alten europäischen Rechtsrahmen sind diese Anforderungen wesentlich detaillierter geworden! Zu den Inhalten gehören:
- Produktname, Herstellername und Kontaktmöglichkeiten,
- Zweckbestimmung (inkl. Indikationen, Kontraindikationen und Patientenzielgruppe),
- Produktbeschreibung (inkl. Angaben zum klinischen Nutzen und zu Leistungsmerkmalen),
- Mindestanforderungen an Einsatzumgebung,
- Restrisiken und Warnhinweise,
- etc.
Produkte zur Anwendung durch Laien müssen vom Hersteller mit “leicht verständlich und anwendbaren” Angaben und Anweisungen versehen werden (Nr. 22.1. Anhang I MDR).
Weiterhin gibt Art. 7 MDR vor, dass die Gebrauchsanweisung keine irreführenden Informationen zum Produkt enthalten darf und zu erwartende Risiken nicht verschwiegen werden dürfen. Deshalb sollte der Hersteller unbedingt auf einheitliche Aussagen zu seinem Produkt in der Gebrauchsanweisung und in Werbematerialen sowie Internetauftritten achten.
Die im Jahr 2021 erschienene Durchführungsverordnung (EU) 2021/2226 erlaubt nun auch für Software die Bereitstellung einer elektronischen Gebrauchsanweisung (Art. 3 (3)). Ansonsten sind elektronische Gebrauchsanweisungen anstelle der Papierform möglich für:
- professionelle Anwender, sofern eine Nutzung des Produktes durch andere Personen nicht zu erwarten ist (Art. 3 (2)) sowie
- Implantate, fest installierte Medizinprodukte/Zubehör und Medizinprodukte/Zubehör mit einem eingebauten System zur Anzeige der Gebrauchsanweisung (Art. 3(1)).
Paragraph 8 (2) im deutschen Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) regelt die sprachlichen Anforderungen für Gebrauchsanweisungen wie folgt:
Produkte dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur dann an Anwender und Patienten abgegeben werden, wenn die für Anwender und Patienten bestimmten Informationen in deutscher Sprache zur Verfügung gestellt werden. In begründeten Fällen dürfen die Informationen auch in englischer Sprache oder einer anderen für den Anwender des Medizinproduktes leicht verständlichen Sprache zur Verfügung gestellt werden, wenn diese Informationen ausschließlich für professionelle Anwender bestimmt sind und die sicherheitsbezogenen Informationen auch in deutscher Sprache oder in der Sprache des Anwenders zur Verfügung gestellt werden.
Weiterhin hat die EU-Kommission eine Information zu den sprachlichen Anforderungen für Herstellerinformationen in den Mitgliedsstaaten veröffentlicht.
Ist das Produkt auf dem Markt, besteht für den Hersteller im Rahmen der Post-Market Surveillance die Verpflichtung zur Aktualisierung der Gebrauchsanweisung sofern sich dies als Maßnahme aus den gesammelten Daten ergibt (Art. 83 3 b) MDR).
Wo finde ich nähere Informationen zur Erstellung der Gebrauchsanweisung für Medizinprodukte?
Zwar sind die Anforderungen an die Gebrauchsanweisung für Medizinprodukte in den einschlägigen Gesetzestexten hinreichend detailliert dargestellt, aber eine Reihe von Normen unterstützt den Hersteller bei der Erfüllung der Anforderungen mit weiteren Details:
- Kürzlich ist die ISO 20417 „Medical devices — Information to be supplied by the manufacturer“ erschienen, welche eine detaillierte Hilfestellung bietet. Im Abschnitt 9 werden Inhalte zur Gebrauchsanweisung sowie zur technischen Beschreibung aufgelistet und Anforderungen an eine elektronische Form definiert.
- Für eigenständige Medizinprodukte-Software finden sich im Abschnitt „7.2 Begleitpapiere“ der EN 82304-1 „Gesundheitssoftware – Teil 1: Allgemeine Anforderungen für die Produktsicherheit“ spezifische Anforderungen an die Inhalte der Gebrauchsanweisung und technische Beschreibung. Die technische Beschreibung kann separat oder als Bestandteil der Gebrauchsanweisung erstellt werden.
- Im Abschnitt „7.9.2“ und der Tabelle C.5 der EN 60601-1 „Medizinische elektrische Geräte — Teil 1: Allgemeine Festlegungen für die Sicherheit einschließlich der wesentlichen Leistungsmerkmale“ werden detaillierte Vorgaben zum Inhalt der Gebrauchsanweisung für medizinische elektrische Geräte und Systeme gemacht.
- Die EN ISO 15223-1 „Medizinprodukte – Bei Aufschriften von Medizinprodukten zu verwendende Symbole, Kennzeichnung und zu liefernde Informationen – Teil 1: Allgemeine Anforderungen“ legt für Medizinprodukte international anerkannte Symbole fest, die zur Kennzeichnung des Produktes selbst, auf der Verpackung oder in der zugehörigen Begleitinformationen (z. B. Gebrauchsanweisung) verwendet werden können. Für die MDR ist diese Norm harmonisiert worden. Bitte beachten Sie, dass der Hersteller in der Gebrauchsanweisung Angaben zur Bedeutung von Bildern, Symbolen, Warnhinweisen und Abkürzungen machen muss (Nr. 23.1. h) Anhang I MDR).
- In Bezug auf die Gebrauchstauglichkeit gemäß EN 62366-1 „Medizinprodukte – Teil 1: Anwendung der Gebrauchstauglichkeit auf Medizinprodukte“ spielt die Gebrauchsanweisung ebenso eine wichtige Rolle, da nachgewiesen werden muss, dass der Anwender die Inhalte verstehen und umsetzen kann.
Für In-vitro-Diagnostika beschreiben die Teile 1-5 der EN ISO 18113 spezifische Anforderungen an die Hersteller-Informationen.
Besondere Anforderungen für KI-basierte Software
Weder in der MDR noch im MPDG finden wir spezifische Anforderungen zur Gebrauchsanweisung für KI-basierte Software als Medizinprodukt. Allerdings sollte die Produktbeschreibung auch eine allgemeine Beschreibung des Algorithmus/des Modells enthalten. In den vom Anwender für die ordnungsgemäße Verwendung des Produkts benötigte Spezifikationen sollten die notwendigen Eigenschaften der Eingangs-Daten (bspw. Format und Qualität) beschrieben und Faktoren, welche die Qualität der Ergebnisse negativ beeinflussen können, benannt werden.
Im Entwurf für den europäischen Artificial Intelligence Act (AIA) seitens des Gesetzgebers auf die besondere Rolle der Gebrauchsanweisung im Erwägungsgrund 47 hingewiesen: „Um der Undurchsichtigkeit entgegenzuwirken, die bestimmte KI-Systeme für natürliche Personen unverständlich oder zu komplex erscheinen lässt, sollte für Hochrisiko-KI-Systeme ein gewisses Maß an Transparenz vorgeschrieben werden. Die Nutzer sollten in der Lage sein, die Ergebnisse des Systems zu interpretieren und es angemessen zu verwenden. Hochrisiko-KI-Systemen sollten daher die einschlägige Dokumentation und Gebrauchsanweisungen beigefügt sein und diese sollten präzise und eindeutige Informationen enthalten, gegebenenfalls auch in Bezug auf mögliche Risiken in Bezug auf die Grundrechte und Diskriminierung.“ Die Art. 13 und 15 AIA legen Anforderungen an die Gebrauchsanweisung im Detail fest, die auch für Medizinprodukte gelten würden. Folgende Inhalte wären zu beschreiben:
- Merkmale, Fähigkeiten und Leistungsgrenzen des KI-Systems (z. B. beabsichtigter Zweck, Genauigkeitsgrad, Robustheit und Cybersicherheit, bekannte oder vorhersehbare Umstände, die zu Risiken für die Gesundheit und Sicherheit oder die Grundrechte führen, Systemleistung, Spezifikationen der Eingabedaten sowie Beschreibung des erwarteten Outputs)
- im Voraus festgelegte Änderungen am KI-System und seiner Leistung (falls erforderlich)
- Maßnahmen zur menschlichen Aufsicht über das KI-System
- erforderliche Hardwareressourcen, erwartete Lebensdauer und Wartungsmaßnahmen
Der Fragenkatalog „Künstliche Intelligenz bei Medizinprodukten“ der IG-NB enthält insgesamt 15 Anforderungen zur Gebrauchsanweisung, von denen aber nicht alle KI-spezifisch sind.
Wir haben eine Vorlage zur technischen Beschreibung KI-basierter Software erstellt, die Sie kostenfrei runterladen können.
Wie gehe ich grundsätzlich bei der Erstellung der Gebrauchsanweisung vor?
Aus unserer Beratungspraxis können wir die Erstellung einer Checkliste empfehlen, welche die Anforderungen aus den Gesetzestexten und den verwendeten Normen enthält. So ist gewährleistet, dass keine wesentlichen Inhalte in der Gebrauchsanweisung fehlen und es zu bösen Überraschungen bei Audits durch die Benannte Stelle oder die zuständige Behörde kommt.