"Wir müssen uns entscheiden, wie wir Europa als Kontinent wettbewerbsfähig halten"
VDE: Ich möchte noch einmal nachhaken. Früher waren Kernkompetenzen in Deutschland der Motor und der ganze Antriebsstrang. Heute kommen zentrale Komponenten wie die Batterie aus Asien. Sie ist eines der kostenintensivsten Bauteile im Fahrzeug. Macht es nicht ein wenig Sorge, dass dieses Know-how woanders liegt?
Müller: „Natürlich wollen andere Regionen ihre Märkte selbst entwickeln. Der Wettbewerb wird also härter werden, denn wir haben wachsende Volkswirtschaften. Wettbewerb ist für den Verbraucher aber auch eine gute Nachricht, das möchte ich betonen.
Aber kommen wir nochmal zu den Rahmenbedingungen: Wie ist das innovative Umfeld, das gesetzt wird? Wie schnell ist der Staat bei Entscheidungen? Können wir bei uns die wichtigen Batteriezellen produzieren, wenn wir eine Energiepolitik machen, die international nicht wettbewerbsfähig ist?
Die deutsche Automobilindustrie war sich immer bewusst, dass sie sich in globalen Märkten bewegt – rund 70 Prozent unserer Arbeitsplätze in Deutschland hängen vom Export ab. Es gibt eine internationale Arbeitsteilung, die gut ist und insgesamt zu Wachstum, Wohlstand und offenen Märkten führt. Wenn aber Protektionismus und andere Dinge zurückkehren, müssen wir überlegen, wie wettbewerbsfähig der deutsche Standort ist. Wir müssen schneller und konsequenter werden, wir müssen eine Energiepolitik machen, die mehr Energie zur Verfügung stellt. Deutschland investiert viel, aber zu oft in Symptombekämpfung, ohne an den Ursachen anzusetzen. Auch Europa muss seinen Weg finden: Während es in den USA den Inflation Reduction Act gibt und China mit direkter Subventionierung arbeitet, setzt die EU zu oft auf Regulierung. Wir müssen einen eigenen Ansatz finden und uns entscheiden, wie wir Europa als Kontinent wettbewerbsfähig halten.“
VDE: Gehen wir von der Welt noch einmal zurück auf das Produkt. Wir haben viele Bestandsfahrzeuge und viele Menschen, die sich kein Fahrzeug für 40.000 oder 50.000 Euro leisten können. Wenn man sich am Markt umsieht, gibt es nahezu kein Angebot unter 30.000 Euro.
Müller: „Zunächst einmal: Da fallen mir schon Modelle ein, ich möchte hier aber keine explizite Werbung für einzelne Anbieter machen. Zu bedenken ist, dass wir gewisse Erwartungen an Modernität, Sicherheit, Effizienz und Komfort eines Autos haben und dass wir mitten in einer Transformationsphase sind. Das heißt, wir haben hohe Entwicklungskosten und Investitionen in die Umstellung der Werke, bis wir wieder massiv in die Produktion einsteigen können. Wir hoffen aber, dass Elektroautos günstiger werden als Verbrenner.
Uns ist bewusst, dass das im Moment auch ein sozialpolitisches Thema ist, deshalb haben wir kritisiert, dass die Bundesregierung die Elektroautoförderung streicht. Ich rufe damit nicht nach Subventionen für die Automobilindustrie, das möchte ich betonen. Aber die Politik muss überlegen, wie sie die Verbraucher unterstützen kann. Der Vorwurf, wir gingen nur in das Premiumsegment, ist auf jeden Fall falsch. Unser Ziel ist es auch ganz klar, Angebote für das Volumensegment zu machen."
VDE: Kommen wir zum Schluss zur Zusammenarbeit zwischen VDE und VDA. Wie ist Ihre Einschätzung dazu?
Müller: „Ich nehme die Zusammenarbeit sehr positiv wahr. Wir haben dasselbe Ziel, die klimaneutrale Mobilität, und wir ergänzen uns mit unseren Kompetenzen sehr gut. Wir arbeiten nicht nur im Heute gut zusammen, sondern auch bei Zukunftsthemen wie der Normungsroadmap zu Wasserstofftechnologien. Vielen Dank daher für diese gute Zusammenarbeit.“
VDE: Letzte Frage: Was können Sie jungen Menschen mitgeben für ihren Weg?
Müller: "Ich glaube, in einer diversen Welt muss man auf jeden Fall offen sein. Man sollte netzwerken, ganz bewusst branchenübergreifend, denn so bekommt man sehr viele Anregungen, Ideen und Tipps. Manchmal hört man etwas Spannendes, woran man noch gar nicht gedacht hat. Natürlich gibt es klassische Karrierewege, das ist auch gut. Mein Rat ist, auf den eigenen Bauch zu hören und bereit zu sein, etwas Neues zu beginnen. Begeisterung, Leidenschaft und Einsatz gehören selbstverständlich dazu. Vielleicht darf ich an dem Punkt noch Eigenwerbung machen (lacht): Wir suchen immer motivierte, engagierte junge Leute, die sich für die klimaneutrale und digitale Mobilität begeistern.“
Frau Müller, besten Dank für das Interview.