Dr. Marcus Ewig, Geschäftsführender Direktor Rhenus Automotive SE & Chairman Rhenus

Dr. Ewig: Batterien benötigen ein Second Life. 

| Axel Gross / VDE
19.07.2023 Webinhalt

Rhenus Automotive zu Potenzialen und Herausforderungen bei Batterien für Elektroautos

Ob Transport, Warehousing oder Second Life-Verwertung: Dr. Marcus Ewig, geschäftsführender Direktor von Rhenus Automotive SE, sieht rund um das Thema Batterie viele Prozesse, die stringent zu bedienen sind. Im Gespräch mit Dr. Ralf Petri, Geschäftsbereichsleiter Mobility im VDE, erklärt Ewig, was ihn sein Abstecher in die Modeindustrie gelehrt hat, warum Batterie-Recycling erst am Ende der Prozesskette durchgeführt werden sollte und weshalb er als Vizepräsident im DKE-Lenkungsausschuss die Standardisierung für Traktionsbatterien vorantreiben will. 

VDE: Herr Dr. Ewig, Sie sind geschäftsführender Direktor von Rhenus Automotive SE, Teil der international vertretenen Rhenus Group mit 970 Standorten. Wie viele Büros haben Sie weltweit?  

Ewig: „Oh, da muss ich Sie leider zum Beginn des Interviews ein bisschen korrigieren (lacht). Die Rhenus-Group hatte Anfang 2023 bereits 1130 Standorte, denn die Gruppe ist organisch und durch Akquisitionen in den letzten Jahren stark gewachsen. Als international aufgestellter Logistikplayer müssen wir quasi jedes Land der Welt abdecken.  

Heute spreche ich aber für Rhenus Automotive, und da haben wir heute weltweit 65 aktive operative Standorte und etwa 30 Büros, wobei Büros und operative Standorte teilweise deckungsgleich sind. Unsere Mitarbeiter versuchen wir, so dezentral und heimatnah wie möglich einzusetzen. Das heißt, wenn wir heute beispielsweise IT-technische Fragestellungen beantworten, dann arbeiten wir mit internationalen Teams, die in Belgien, in Spanien, im Saarland oder in den USA angesiedelt sind und projektbezogen zusammenarbeiten. Das funktioniert sehr gut.“ 

VDE: Wenn man sich Ihre Karriere anschaut, dann sieht man einige Besonderheiten. Sie hatten Führungspositionen bei Porsche inne, flapsig gesprochen also auf der Rennstrecke, sind dann zum Laufsteg gewechselt, als CEO beim Mode-Label Peter Kaiser, und seit 2017 sind Sie bei Rhenus Automotive. Wie kam es dazu?  

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Dr. Marcus Ewig, Geschäftsführender Direktor Rhenus Automotive

Dr. Ewig: Mit voranschreitender Elektrifizierung braucht es Normen und Standards und deren Entwicklung fällt in den Zuständigkeitsbereich der DKE.

| Axel Gross / VDE

Ewig: „Im Zentrum meines beruflichen Werdegangs steht das Thema Prozesse. In der Scheer-Gruppe habe ich Beratungsprojekte im logistischen Umfeld für Lufthansa und Deutsche Bahn betreut, dann ging ich zu Porsche, wo ich den Aufbau von Porsche in Leipzig begleitet habe. Während der Finanzkrise 2008/09 habe ich mir die Frage gestellt, wie ich mich noch mal anders aufstellen kann, und nach vielen Jahren Automobilbranche war der Punkt erreicht, etwas anderes zu tun. So bin ich in den Mode-Bereich gegangen, und viele sagen, wie passt denn das zusammen. Es passte aber sehr gut, denn ich konnte meine Prozesserfahrung einfließen lassen und eine neue Branche kennenlernen. Das war sehr spannend und dynamisch. Teilweise war es aber auch sehr unstrukturiert, damit hatte ich nicht gerechnet. Nach ein paar Jahren fehlten mir die Innovationskraft und die Strukturiertheit der Automotive-Branche.  

2016 bin ich dann angesprochen worden, ob ich mir vorstellen könnte, bei Rhenus Automotive einzusteigen. Damals hatte das Unternehmen gerade Ferrostaal Automotive akquiriert, und so konnte ich meine prozessuale Erfahrung einfließen lassen und die Integration mit meinen Kollegen vorantreiben. Heute sind an 65 Standorten knapp 10.000 Mitarbeiter für Rhenus Automotive aktiv. Wir treten als First Tier Supplier in der Achs- bzw. Komplettfahrzeugmontage auf und sind einer der großen Logistik-Provider für alle Fahrzeughersteller weltweit. Mein Weg hat also recht konsequent hierhergeführt, und die prozessuale Stringenz, die Innovationsstärke und der klare Wille der Automobilbranche, die aktuelle Transformation gemeinsam mit den OEMs zu realisieren – das motiviert mich.“ 

VDE: Ok, normalerweise stelle ich diese Frage am Ende, aber sie passt hier sehr gut: Welche Tipps würden Sie jungen Leuten mitgeben? Gerade aus Ihrer Erfahrung verschiedener Wechsel, was war gut, was schlecht, was wäre Ihr Goldweg?  

Ewig: „Man sollte sich die Frage stellen, was man am Ende seiner Kariere erzählen möchte. Man könnte sagen, ich war der Konzern-Typ, der als Referent angefangen und als Hauptabteilungsleiter aufgehört hat. Das ist ein Weg. Der andere Weg mag sein, extrem viel auf seinem beruflichen Weg mitgenommen zu haben, das heißt, Kulturen, Menschen, Branchen kennengelernt zu haben und seiner Neugier gefolgt zu sein.  

Im Moment erleben wir eine unglaubliche Transformation in allen Bereichen, zum einen getrieben durch das Notwendige, wie die Ausrichtung auf CO2-Neutralität und weitere nachhaltige Themen, zum anderen getrieben durch neue Technologien, die ganze Branchen verändern. Das ist eine gute Gemengelage, um seiner Neugierde zu folgen und seine eigenen Interessen ein wenig in den Fokus zu rücken. Man sollte nicht darauf warten, dass jemand den Weg vorgibt, sondern nach dem Motto Trial & Error an die Themen herangehen. Wir haben im Unternehmen sehr gute Beispiele von jungen Menschen, die das genauso machen und abends mit einem hohen Zufriedenheitsgrad rausgehen.“ 

Wir sehen ein Remanufacturting bzw. ein Refurbishment von Batterien für E-Autos

VDE: Gehen wir nun einmal von den weicheren zu den fachlichen Themen. Das Thema Batterie spielt bei Ihnen eine große Rolle, Sie bieten Battery Life Cycle Management für Hersteller von E-Fahrzeugen. Was verstehen Sie unter diesem Buzzword?  

Ewig: „Wir haben dieses Thema 2019 zum ersten Mal auf die strategische Roadmap gesetzt. Man hatte uns gefragt, ob wir in den Batterie-Prozess mit einsteigen würden, in puncto Lagerung, Logistik und Warehousing. Da wurde klar, dass das Thema Batterien für E-Autos in den nächsten Jahrzehnten ein eigenes Geschäftsfeld darstellen wird. Über die Rhenus-Gruppe haben wir viele Schwestergesellschaften, die sich zu dem Zeitpunkt bereits mit verschiedenen Perspektiven auf Herstellung und Transport von Batterien beschäftigt haben. Dazu zählen Unternehmen, die zertifizierte Behälter für Havarie-Batterien entwickeln und bauen, oder solche, die sich schon länger mit der Entsorgung von Batterien auseinandersetzen.  

Letztlich führte uns das zu dem Punkt, die verschiedenen Zyklen einer Batterie zu betrachten, um den Prozess komplett abzubilden. First Life ist unserer Sicht nach definiert als die Phase, in der wir zum ersten Mal mit der Batterie in Kontakt kommen, wenn wir aus einzelnen Zellen mit den OEMs Batterie-Packs machen und sie in die Werke transportieren, in denen E-Fahrzeuge hergestellt werden. Später, im Bereich der Ladeinfrastruktur, ist es uns ebenfalls wichtig, im Konzern Lösungen anzubieten. So haben wir beispielsweise mit der Remondis gemeinsam größere Power Charger für gewisse Städte pilotiert.  

Irgendwann erreicht die Batterie einen Zustand, in dem ich sie nicht mehr im Fahrzeug nutzen kann, also braucht sie ein Second Life. Man spricht heute oft über Batterie-Recycling, das ist für uns aber nur ein Baustein des zweiten Lebenszyklus. Wir sehen das viel weiter, wir sehen ein Remanufacturing, ein Refurbishment von Batterien. Unser Ziel ist es, die Batterie dem Recycling-Prozess nur am Ende der Prozesskette zuführen zu müssen.“ 

Standardisierung von Batterien für E-Autos ein zentraler Punkt  

VDE: Wie sieht es denn aus, wenn Second Life nicht mehr möglich ist und man tatsächlich zum Recycling kommen muss. Da haben Sie inhouse ja auch Expertise – kann man Traktionsbatterien gut recyceln? Wenn ich an amerikanische OEMS denke, da sind die Batteriezellen mit Gap Filler verklebt, das ist schwer aufzubrechen. Auch ist die Frage, wie man die Stoffe gereinigt zurückbekommt. Funktioniert das in dem Maße, wie es sein sollte? 

Ewig: „Da muss ich vielleicht mit einem kleinen Mythos aufräumen, denn auch da muss man den ganzen Prozess anschauen. Wir sind dem reinen Recycling-Prozess nur vorgelagert, das möchte ich kurz erläutern. Als ersten Schritt und zentralen Punkt sehen wir die Vorbehandlung, nämlich die Tiefenentladung der Batterie. Erst im komplett entladenen Zustand stellt sie im weiteren Verlauf keine Gefahr mehr dar. Dann kommt der nächste Schritt, in dem wir alle werthaltigen Materialien aus der Batterie herausnehmen, sie so weit wie möglich zurückbauen und eine klare Stofftrennung durchführen. Rein metallische Stoffe gehen in einen etablierten Metall-Recycling Prozess, für Kabel oder sonstige Themen hat die Recycling-Industrie ebenfalls schon Prozesse.  

Erst dann kommen wir zur Batterie-Zelle, entweder verklebt oder als reine Zelle. Diese führen wir dem Schredder zu und bekommen daraus die sogenannte Schwarzmasse. Das ist der Punkt, an dem für uns aktuell als Rhenus-Gruppe der Recycling-Prozess aufhört, das möchte ich nochmals betonen. Danach geben wir die Schwarzmasse an Verwerter, die sich darauf spezialisiert haben. Da kommen metallurgische Verfahren zum Einsatz, Nass- oder Trocken-Recycling, bei denen die Schwarzmasse chemisch aufbereitet wird. Ziel ist es, an die Rohstoffe, die in die Batterie eingegangen sind, heranzukommen und sie dem Zell-Herstellungsprozess zuzuführen.“ 

VDE: Jetzt stellen wir fest, dass von der Politik, gerade auf der europäischen Ebene, immer mehr Anforderungen zum Thema Batterien kommen, zum Beispiel der European Battery Pass. Was wünschen Sie sich von der Politik, und wie gehen Sie damit um? 

Ewig: „Darauf möchte ich aus Konsumenten-Sicht und aus Unternehmenssicht antworten – die Richtung ist die gleiche. Denn für Konsumenten wäre eine Standardisierung der Batterie zentral, damit ich als Kunde die Möglichkeit habe zu entscheiden, welche Batterie ich in meinem Fahrzeug einsetze. Und für Unternehmen wäre eine Standardisierung vorteilhaft, da sie sich positiv auf die modulare Gestaltung im Fahrzeugumfeld auswirkt, auf die Wiederverwertbarkeit im Recyclingprozess und auf seine Automatisierung. Schauen wir kurz in die Logistik – da habe ich standardisierte Behälter, nämlich KLTs, GLTs oder Europaletten, die sich standardisiert handhaben lassen.  

Wenn jemand aber ein Warehouse betreibt für Traktionsbatterien, dann hat er bei jedem Hersteller für jedes Derivat eine andere Batterie und unterschiedliche Maße. Damit kann ich nicht einmal standardisierte Behälter für Havarie-Batterien bauen. Somit wird klar: Die Standardisierung ist zwar ein weit gefasster Wunsch, aber ein notwendiger Schritt. Der European Battery Pass ist in diesem Sinne wenigstens eine Normierung, die den Recycling-Prozess vereinfacht, denn er sagt mir verbindlich, womit ich es zu tun habe.“ 

Batterien für E-Autos tragen in sich eine Gefahr und müssen sorgfältig behandelt werden 

VDE: Daran schließt sich meine nächste Frage an. Sie sind Vizepräsident im DKE-Lenkungsausschuss geworden, der Organisation in Deutschland für das Thema elektrotechnische Normung. Welche Schwerpunkte werden Sie setzen?  

Ewig: „Wir sind momentan, wenn ich kurz den Hut des VDE aufsetzen darf, in einer hervorragenden Situation. Wir bekommen ein komplettes Geschäftsfeld in die Hände gespielt, wo wir vorher, abgesehen von Normungsthemen im Umfeld der Fahrzeugsteuerung, keine Berührungspunkte hatten. Im Rahmen der Transformation wird alles elektrifiziert. Ich sehe es im Zuständigkeitsbereich der DKE, die Entwicklung von Normen und Standards für Prozesse zu begleiten, die wir heute noch nicht betrachten, und daran möchte ich mitwirken. 

Kommen wir zurück zur Batterie, daran kann man das sehr schön aufzeigen. Wir brauchen zum einen Standards, die im Fahrzeugumfeld zu realisieren sind. Da geht es nicht nur um den genormten Stecker für meine Wall Box. Wenn wir nochmal an einen Havarie-Fall, an Unfälle oder Pannen denken: ADAC, Feuerwehr oder ähnliches sind als Prozess-Partner zu sehen, die wissen müssen, wie sie im Kontakt mit der Batterie agieren sollen. Zum anderen sollte die Batterie über genormte Protokolle während ihres Gebrauchs Informationen zu ihrem Zustand übermitteln können. Wir dürfen nicht vergessen, die Batterie trägt in sich eine Gefahr, das ist ein Festkörper, der hochgeladen ist, ein Energiespeicher, der sorgfältig behandelt werden muss und über dessen Zustand wir Informationen brauchen. 

Das sind nur zwei Aspekte für die DKE, und es gibt viele weitere Punkte, die wir auf EU- oder auf größerer internationaler Ebene lösen müssen. Dafür hat die DKE ihr Netzwerk, so dass wir zielgerechtet arbeiten und übergreifende Standards setzen können.“ 

VDE: Noch eine Frage, die anschließt an die eingangs diskutierten Themen rund um Karriere und junge Fachkräfte. Welche Strategien haben Sie bei Rhenus Automotive, um Talente zu gewinnen? Wir wissen, der Markt ist schwierig, das sehen wir auch bei uns. Es hat sich viel verändert in den letzten Jahren. Wie gehen Sie damit um? 

Ewig: „Wir haben sehr viele operative Mitarbeiter, und wir versuchen, sie früh an uns zu binden. So haben wir zum Beispiel ein sehr übergreifendes Azubi-Programm, für das wir junge Kollegen an den Schulen gewinnen. Unser Anspruch ist, sie in den Personalentwicklungs-Prozess zu integrieren und kontinuierlich zu begleiten. Denn wir sehen, dass wir uns viel stärker um die jungen Menschen kümmern müssen. Sie brauchen Freiheiten, aber wir müssen auch einen Entwicklungspfad für sie bereithalten.  

Ähnlich läuft es bei den Hochschulabsolventen. Unser Traineeprogramm ist auf zwei Jahre ausgelegt, mit Projekten und Schulungsblöcken. In dieser Zeit gilt es zu erkennen, welche Stärken die Mitarbeiter haben, und frühzeitig Wege aufzuzeigen. Denn viele junge Leute sind von einer gewissen Unsicherheit geprägt, wenn sie nicht wissen, wie die nächsten Schritte aussehen. Mitarbeiter, die dies wünschen, bieten wir einen hohen Freiheitsgrad und die Möglichkeit, sehr früh und sehr übergreifend Verantwortung wahrzunehmen. In diesem Prozess begleiten und fördern wir sie. 

Neben dem Recruiting ist es für uns übrigens sehr wichtig, Mitarbeiter zu halten und sie in einen Zufriedenheitskorridor zu bringen. Denn dann denken sie nicht darüber nach, ob das Gras auf der anderen Seite grüner ist als bei Rhenus Automotive.“ 

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