Stichwort Effizienzgewinne: Was glauben Sie, wann erreichen wir die Zukunftsvision CO2-freie Nutzfahrzeugbranche?
Zohm: Wir haben ja Regularien, die europaweit, gelten: 15 Prozent CO2-Einsparung bis 2025 und 30 Prozent bis 2030. Wenn wir im Jahr 2050 eine neutrale CO2-Bilanz erreichen wollen, sprich alle Nutzfahrzeuge CO2-neutral betrieben werden, wird die Zukunftsvision von der CO2-freien Nutzfahrzeugbranche rechnerisch etwa im Jahr 2040 Realität: Da Lkw-Flotten sich ungefähr alle zehn Jahren erneuern und wir 2050 bei Null sein wollen, darf schon ab 2040 in Europa kein CO2-produzierendes Fahrzeug mehr verkauft werden.
Das Umweltbundesamt ist da nicht ganz so optimistisch wie Sie: Laut UBA gehen seit 1995 die spezifischen Emissionen für den Straßenverkehr zwar zurück – dank besserer Motoren, besserer Abgastechnik, weniger Kraftstoffverbrauch und besserer Kraftstoffqualität. Gleichzeitig ist aber der Verkehrsaufwand um 70 Prozent gestiegen: Die absoluten Kohlendioxid-Emissionen im Straßengüterverkehr haben sich zwischen 1995 und 2017 deshalb sogar um 20 Prozent erhöht. Was stimmt Sie optimistisch, die Ziele für 2030 einzuhalten und die 2050-Vision zu erreichen?
Zohm: Zunächst gibt es heute ein viel breiteres gesellschaftliches Verständnis dafür, dass CO2 eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung ist und wir bis 2050 CO2-neutral werden wollen. Die Technologien, um dieses Ziel zu erreichen, sind jetzt verfügbar. Aktuell sind sie aber wirtschaftlich noch nicht gleichwertig, weil sie teurer sind. Es braucht also Rahmenbedingungen, die es den Spediteuren ermöglichen, in klimaneutrale Antriebstechnologien zu investieren.
Welche Rahmenbedingungen müsste die Politik denn schaffen?
Zohm: Die Transportindustrie ist allen voran eine vernetzte Industrie. Deshalb brauchen wir einen europäischen Ansatz, um CO2-neutralen Technologien zum Durchbruch zu verhelfen. Das kann zum Beispiel eine Eurovignette sein, mit der man Mauterleichterungen in ganz Europa bekommt, wenn man auf CO2-neutrale Technologien setzt. Viele Spediteure sind über Landesgrenzen hinweg aktiv: Je harmonisierter ein solches System ist, umso einfacher ist es für unsere Kunden in neue, CO2-freie Technologien zu investieren.
Ein weiterer Knackpunkt dürfte auch die Infrastruktur sein, oder?
Zohm: Genau, neben dem Thema der Incentivierung ist die Nutzbarkeit von Energie entscheidend. Wir haben heute ein großflächig ausgebautes Tankstellennetz. Bereits beim Gas haben wir gesehen, dass wir uns schwertun, eine Infrastruktur bereit zu stellen – trotz vieler gemeinsamer Pläne in der europäischen Union. Zudem sind die Anforderungen an die Ladeinfrastruktur für Lkw andere als für Pkw. Denn die Dimension der Energieleistung, die ein Truck braucht, ist eine andere. Wir brauchen europaweit einen gemeinsamen Ansatz mit der Politik, mit den Betreibern von Stromnetzen und mit Energieversorgern, wie sich diese Infrastruktur bereitstellen lässt. Hierzu sind wir mit allen beteiligten Akteuren im Gespräch.
Abschließend noch eine Frage, die etwas weggeht von der Technik: Spüren Sie bei MAN schon den Fachkräftemangel – gerade im Bereich der Ingenieurswissenschaften?
Zohm: Nein, bei MAN spüren wir den Fachkräftemangel derzeit (noch) nicht. Was wir in der Transportindustrie allerdings haben, ist ein eklatanter Fahrermangel. In unserem Platooning-Projekt haben wir jedoch gesehen, dass die höhere Automatisierung des Trucks zu einer technologischen Aufwertung des Arbeitsplatzes führt. Der Fahrer steuert nicht länger nur das Fahrzeug, sondern wird immer stärker zum System-Operator. Man hört ja immer, dass durch die Automatisierung Arbeitsplätze wegfallen – die Ergebnisse aus dem Platooning-Projekt zeigen aber, dass das nicht überall der Fall ist: Die Automatisierung kann Arbeitsplätze auch attraktiver machen.