Collage zu erneuerbaren Energien
Eisenhans / Fotolia
28.09.2018 Fachinformation

Power-to-Gas spielt eine entscheidende Rolle für das Gelingen der Energiewende

Die Sektorenkopplung ist eine der Voraussetzungen für eine rasche Dekarbonisierung des Wärme- und Verkehrssektors. Ist damit der Weg in eine allelektrische Energiewelt vorgezeichnet? René Schoof, Head of Operational Performance Surface Storage Facilities bei Uniper, erläutert im Interview, warum die Energiewende ohne Power-to-Gas nicht gelingen kann und wie sich mit der Technologie die Sektorenkopplung vorantreiben lässt.

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Porträt René Schoof, Uniper

René Schoof: „In einem klimaneutralen Energiesystem müssen die Kraftwerke und Speicher dann jedoch mit erneuerbarem Gas betrieben werden. Hier kommt Power-to-Gas ins Spiel."

| Uniper

Herr Schoof, aktuell werden die »drei D« – also Dekarbonisierung, Dezentralisierung und Digitalisierung – als die wesentlichen Faktoren der Energiewende angeführt. Ihr Unternehmen betreibt in Deutschland, Europa und Russland einen umfangreichen Kraftwerkspark. Wie weit ist Uniper bei der Dekarbonisierung der Erzeugungskapazitäten?

Schoof: Unser Portfolio ist sowohl geografisch als auch hinsichtlich der Erzeugungsarten breit diversifiziert. Neben modernen Steinkohlekraftwerken zählen 75 Gaskraftwerke sowie über 200 Wasserkraftwerke zu unserem Portfolio. Tatsächlich basiert unsere Erzeugungskapazität global betrachtet zu weniger als einem Drittel auf Kohle. Dem Erdgas lassen wir in Zukunft eine Schlüsselrolle zukommen. Der Umstieg von Kohle zu Erdgas senkt die CO2-Emission im Durchschnitt um mehr als die Hälfte. Außerdem tragen wir durch unsere Power-to-Gas-Aktivitäten zur Dekarbonisierung bei: Power-to-Gas ist aktuell die einzig bekannte Technologie, die erneuerbare Energien aus Wind und Sonne langfristig und in großem Umfang speichern kann. Sie spielt eine entscheidende Rolle für das Gelingen der Energiewende, wenn der Anteil der erneuerbaren Energien am Erzeugungsmix weiter steigt.

VDE: Genau darüber sprechen Sie auch beim VDE Tec Summit am 13. und 14. November in Berlin. Auf welche Fakten oder Prognosen stützen Sie Ihre These, dass die Energiewende sich nicht ohne Power-to-Gas realisieren lässt?

Schoof: Mit dem wachsenden Anteil von Erneuerbaren Energien in unserem Stromsystem wird die Volatilität der Erzeugung steigen. Es wird Zeiten im Jahr geben, in denen die erneuerbare Stromerzeugung den Bedarf nicht decken kann. In diesen wind- und sonnenarmen Zeiten benötigt das Stromsystem ein Backup in erheblichem Umfang. Gaskraftwerke in Verbindung mit Speichern können dieses Backup zur Verfügung stellen. In einem klimaneutralen Energiesystem müssen die Kraftwerke und Speicher dann jedoch mit erneuerbarem Gas betrieben werden. Hier kommt Power-to-Gas ins Spiel. Mit dieser Technologie können große Energiemengen saisonal aus erzeugungsstarken Zeiten in die erzeugungsarmen Zeiten verlagert werden.

Die Sektorenkopplung ist ein weiteres Schlagwort im Zusammenhang mit der Energiewende. Engagieren Sie sich auf diesem Gebiet und wo sehen Sie hier Chancen und Risiken auf dem Weg zur Klimaneutralität?

Schoof: Ja, wir sind bei der Sektorenkopplung ebenfalls aktiv. Wenn man das Thema Klimaneutralität genau betrachtet, wird das Energiesystem der Zukunft hauptsächlich auf erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne basieren. Diese strombasierte Energie muss jedoch auch in die Sektoren integriert werden, die heute hauptsächlich auf fossilen, gasförmigen und flüssigen Brennstoffen basieren. Nehmen Sie zum Beispiel den Wärmemarkt. Derzeit werden Gebäude in Deutschland überwiegend mit Erdgas beheizt. Eine Umstellung auf strombasierte Heizsysteme würde bei Bestandsgebäuden zu erheblichen Aufwendungen für Modernisierung der Heizsysteme, aber auch der gesamten Gebäudehülle führen. Zusätzlich entsteht die Herausforderung, den erneuerbaren Strom versorgungssicher vom Ort der Erzeugung in die Gebäude zu transportieren. Auch hier kann die Power-to-Gas-Technologie einen wichtigen Beitrag leisten, indem durch Nutzung der bestehenden Erdgasinfrastruktur erneuerbare Gase in den Wärmesektor integriert werden können.

Bei der Einführung neuer Technologien sind Vorreiter gefragt. Wie weit ist Uniper? Haben Sie schon mit Pilotprojekten begonnen, die neue Wege der Strom- und Gasversorgung aufzeigen könnten?

Schoof: Wir haben bereits im Jahr 2013 als erstes Unternehmen weltweit eine Power-to-Gas-Pilotanlage in der Megawattklasse im brandenburgischen Falkenhagen in Betrieb genommen. In einer Region mit einem erheblichen Anteil erneuerbarer Energieerzeugung demonstrieren wir, wie die Sektoren Strom und Gas intelligent miteinander gekoppelt werden können. Aus den ersten Betriebserfahrungen haben wir die Grundlagen für unsere zweite Anlage in Hamburg abgeleitet. Für diese Anlage haben wir gemeinsam mit mehreren Partnern einen hocheffizienten PEM-Elektrolyseur in der Megawattklasse entwickelt und in den Jahren 2015 und 2016 erfolgreich erprobt. Das Besondere an diesem Projekt war, dass es eine Förderung des Bundesverkehrsministeriums aus dem NIP 1.0-Förderprogramm bekam. Bereits zu diesem Zeitpunkt war die Überlegung, erneuerbare Energie in Form von grünem Wasserstoff in den Verkehrssektor zu integrieren. Dafür sind aber neben den entsprechenden Fahrzeugen auch effiziente Anlagen zur Erzeugung von Wasserstoff erforderlich. Ganz aktuell haben wir dieses Jahr unsere Power-to-Gas-Anlage Falkenhagen um eine Methanisierung erweitert.

VDE: Was versprechen Sie sich von der Erweiterung?

Schoof: Diese Technologie soll helfen, zusätzliche erneuerbare Gase ins Erdgassystem zu integrieren, wenn dieses regional an die technischen Grenzen der Wasserstoffeinspeisung stößt. Das erreichen wir, indem wir den Wasserstoff in synthetisches Methan umwandeln, das mit der bestehenden Infrastruktur ohne Einschränkungen kompatibel ist. Dieses aktuelle Projekt ist eingebettet in das europäische Projekt STORE&GO, das von der EU im Rahmen von Horizon 2020 und von der schweizerischen Eidgenossenschaft gefördert wird. Ziel des Projekts ist es, an drei Standorten in Deutschland, der Schweiz und Italien jeweils verschiedene Methanisierungsverfahren zu erproben, zu vergleichen und den Nutzen von Power-to-Gas auch für das europäische Energiesystem abzuleiten.