Ewig: „Im Zentrum meines beruflichen Werdegangs steht das Thema Prozesse. In der Scheer-Gruppe habe ich Beratungsprojekte im logistischen Umfeld für Lufthansa und Deutsche Bahn betreut, dann ging ich zu Porsche, wo ich den Aufbau von Porsche in Leipzig begleitet habe. Während der Finanzkrise 2008/09 habe ich mir die Frage gestellt, wie ich mich noch mal anders aufstellen kann, und nach vielen Jahren Automobilbranche war der Punkt erreicht, etwas anderes zu tun. So bin ich in den Mode-Bereich gegangen, und viele sagen, wie passt denn das zusammen. Es passte aber sehr gut, denn ich konnte meine Prozesserfahrung einfließen lassen und eine neue Branche kennenlernen. Das war sehr spannend und dynamisch. Teilweise war es aber auch sehr unstrukturiert, damit hatte ich nicht gerechnet. Nach ein paar Jahren fehlten mir die Innovationskraft und die Strukturiertheit der Automotive-Branche.
2016 bin ich dann angesprochen worden, ob ich mir vorstellen könnte, bei Rhenus Automotive einzusteigen. Damals hatte das Unternehmen gerade Ferrostaal Automotive akquiriert, und so konnte ich meine prozessuale Erfahrung einfließen lassen und die Integration mit meinen Kollegen vorantreiben. Heute sind an 65 Standorten knapp 10.000 Mitarbeiter für Rhenus Automotive aktiv. Wir treten als First Tier Supplier in der Achs- bzw. Komplettfahrzeugmontage auf und sind einer der großen Logistik-Provider für alle Fahrzeughersteller weltweit. Mein Weg hat also recht konsequent hierhergeführt, und die prozessuale Stringenz, die Innovationsstärke und der klare Wille der Automobilbranche, die aktuelle Transformation gemeinsam mit den OEMs zu realisieren – das motiviert mich.“
VDE: Ok, normalerweise stelle ich diese Frage am Ende, aber sie passt hier sehr gut: Welche Tipps würden Sie jungen Leuten mitgeben? Gerade aus Ihrer Erfahrung verschiedener Wechsel, was war gut, was schlecht, was wäre Ihr Goldweg?
Ewig: „Man sollte sich die Frage stellen, was man am Ende seiner Kariere erzählen möchte. Man könnte sagen, ich war der Konzern-Typ, der als Referent angefangen und als Hauptabteilungsleiter aufgehört hat. Das ist ein Weg. Der andere Weg mag sein, extrem viel auf seinem beruflichen Weg mitgenommen zu haben, das heißt, Kulturen, Menschen, Branchen kennengelernt zu haben und seiner Neugier gefolgt zu sein.
Im Moment erleben wir eine unglaubliche Transformation in allen Bereichen, zum einen getrieben durch das Notwendige, wie die Ausrichtung auf CO2-Neutralität und weitere nachhaltige Themen, zum anderen getrieben durch neue Technologien, die ganze Branchen verändern. Das ist eine gute Gemengelage, um seiner Neugierde zu folgen und seine eigenen Interessen ein wenig in den Fokus zu rücken. Man sollte nicht darauf warten, dass jemand den Weg vorgibt, sondern nach dem Motto Trial & Error an die Themen herangehen. Wir haben im Unternehmen sehr gute Beispiele von jungen Menschen, die das genauso machen und abends mit einem hohen Zufriedenheitsgrad rausgehen.“
Wir sehen ein Remanufacturting bzw. ein Refurbishment von Batterien für E-Autos
VDE: Gehen wir nun einmal von den weicheren zu den fachlichen Themen. Das Thema Batterie spielt bei Ihnen eine große Rolle, Sie bieten Battery Life Cycle Management für Hersteller von E-Fahrzeugen. Was verstehen Sie unter diesem Buzzword?
Ewig: „Wir haben dieses Thema 2019 zum ersten Mal auf die strategische Roadmap gesetzt. Man hatte uns gefragt, ob wir in den Batterie-Prozess mit einsteigen würden, in puncto Lagerung, Logistik und Warehousing. Da wurde klar, dass das Thema Batterien für E-Autos in den nächsten Jahrzehnten ein eigenes Geschäftsfeld darstellen wird. Über die Rhenus-Gruppe haben wir viele Schwestergesellschaften, die sich zu dem Zeitpunkt bereits mit verschiedenen Perspektiven auf Herstellung und Transport von Batterien beschäftigt haben. Dazu zählen Unternehmen, die zertifizierte Behälter für Havarie-Batterien entwickeln und bauen, oder solche, die sich schon länger mit der Entsorgung von Batterien auseinandersetzen.
Letztlich führte uns das zu dem Punkt, die verschiedenen Zyklen einer Batterie zu betrachten, um den Prozess komplett abzubilden. First Life ist unserer Sicht nach definiert als die Phase, in der wir zum ersten Mal mit der Batterie in Kontakt kommen, wenn wir aus einzelnen Zellen mit den OEMs Batterie-Packs machen und sie in die Werke transportieren, in denen E-Fahrzeuge hergestellt werden. Später, im Bereich der Ladeinfrastruktur, ist es uns ebenfalls wichtig, im Konzern Lösungen anzubieten. So haben wir beispielsweise mit der Remondis gemeinsam größere Power Charger für gewisse Städte pilotiert.
Irgendwann erreicht die Batterie einen Zustand, in dem ich sie nicht mehr im Fahrzeug nutzen kann, also braucht sie ein Second Life. Man spricht heute oft über Batterie-Recycling, das ist für uns aber nur ein Baustein des zweiten Lebenszyklus. Wir sehen das viel weiter, wir sehen ein Remanufacturing, ein Refurbishment von Batterien. Unser Ziel ist es, die Batterie dem Recycling-Prozess nur am Ende der Prozesskette zuführen zu müssen.“