Die Ausführung von Blitzschutzsystemen - auch als Maßnahme des vorbeugenden Brandschutzes – richtet sich (auch in Deutschland) nach der internationalen Normenreihe IEC 62305 (EU: EN 62305, Deutschland: DIN EN 62305 (VDE 0185-305)). Darin werden die seit Jahrzehnten mit Erfolg angewendeten, allgemein anerkannten technischen Regeln beschrieben. Diese sehen die Verwendung von vielen einfachen, metallenen Komponenten wie z.B. Fangstangen, verteilt über eine bauliche Anlage, vor. Die Anordnung der metallenen Komponenten ergibt sich aus dem sogenannten Blitzkugelverfahren oder davon abgeleiteten vereinfachten Verfahren. Im Ergebnis entstehen Schutzräume gegen direkte Blitzeinschläge in eine bauliche Anlage, welche die Grundlage für Blitzschutzsysteme mit hoher Effektivität und damit hoher Sicherheit bilden.
Die Anwendung der Norm hat sich nicht nur in der Praxis bewährt, sie wurde auch durch gesicherte wissenschaftliche Untersuchungen bestätigt.
Seit einiger Zeit werden zunehmend sogenannte „nicht konventionelle Blitzschutzanlagen" angeboten und auf eine Weise installiert, die mit den o.g. Normen nicht konform ist. Die Methoden zur Anordnung und Montage werden hierbei von den Herstellern selbst vorgegeben. Bei diesen Systemen handelt es sich um sogenannte "Early Streamer Emission"-Fangeinrichtungen (ESE) mit dazugehöriger Ableitung, wobei die Anordnung von ESE nach der "Collection Volume Method" (CVM) vorgenommen werden soll. ESE sei ein Blitz-Auffangsystem, das z.B. durch aktive Komponenten oder aufgrund einer besonderen physikalischen Eigenschaft Blitze besonders effektiv „anziehen“ soll. Das System erzeuge damit einen deutlich größeren Schutzraum gegen direkte Blitzeinschläge als Blitzschutzsysteme nach IEC 62305, so dass selbst für große Gebäude oder ganze Bauwerkskomplexe eine oder wenige ESE-Fangeinrichtungen ausreichend sein sollen.
Nach Ansicht des Ausschusses für Blitzschutz und Blitzforschung des VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. (VDE|ABB) und des Verband Deutscher Blitzschutzfirmen e.V. (VDB) bieten diese „nicht konventionellen“ Anlagen keinen wirksameren Schutz für bauliche Anlagen und Personen als Blitzschutzsysteme nach IEC 62305. Vielmehr ist beim Einsatz derartiger Fangeinrichtungen anstelle des behaupteten größeren Schutzbereichs in der Praxis ein Schutzbereich anzusetzen, der sich aus einer gemäß IEC 62305 geforderten Fangstange mit identischen Abmaßen ergibt. Darin ist sich die überwiegende Mehrheit der Wissenschaftler weltweit einig. Dem entsprechend formuliert die internationale Blitzschutznorm, in ihrer deutschen Fassung eine anerkannte Regel der Technik (siehe DIN EN 62305-3 (VDE 0185-305-3) Ed. 2:2011, Anhang A1.1): "Für die Bestimmung des geschützten Volumens sind nur die tatsächlichen physikalischen Abmessungen der metallenen Fangeinrichtungen zu berücksichtigen."
Nach Ansicht des VDE|ABB und VDB kann zudem eine Gefährdung auftreten, wenn die Vorgaben der Hersteller - entgegen den geltenden Blitzschutznormen - lediglich eine einzige, isolierte Ableitung zwischen einer ESE-Fangeinrichtung und der Erdungsanlage vorsehen. Bei solchen Anordnungen können erhebliche Potentialanhebungen an den Erdungsanlagen und, wegen der fehlenden Aufteilung der Blitzströme auf mehrere Ableitungen, sehr hohe elektromagnetische Felder mit schädlichen Auswirkungen auf metallene Konstruktionen und elektrische Leitungen und Geräte auftreten.
ESE-Fangeinrichtungen mit einem Schutzbereich nach CVM entsprechen nicht den internationalen, europäischen und deutschen Blitzschutznormen IEC 62305 / EN 62305 / DIN EN 62305 (VDE 0185-305). Personen- und Gebäudeschäden sowie der Ausfall sicherheitstechnisch relevanter Systeme sind zu befürchten. Aus diesen Gründen sehen VDE|ABB und VDB den durch das Bauordnungsrecht geforderten Personen- und Sachschutz durch "nicht-konventionelle" Anlagen als nicht gewährleistet.
Weiterführende fundierte Informationen zur normgerechten Ausführung von Blitzschutzsystemen und zur Schutzwirkung "nicht konventioneller" Blitzschutzanlagen geben die Experten des ABB und des VDB jederzeit gerne.