Was sind die wesentlichen Erkenntnisse der VDE Studie "Arbeitsmarkt Elektroingenieurinnen und Elektroingenieure 2022"
Zunächst einmal haben wir herausgefunden, dass der Bedarf an Fachkräften wächst. Das hat zum einen mit dem demografischen Wandel zu tun und der Zahl jener Fachkräfte, die in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen und dann natürlich ersetzt werden müssen. Dies kann man nach unseren Zahlen sehr gut prognostizieren. Zum anderen hat das aber auch damit zu tun, dass immer mehr Elektroingenieure gebraucht werden. Und eben nicht mehr nur in der traditionellen Elektroindustrie: Von der Energiewende bis zur Industrie 4.0, von der Elektromobilität bis zum autonomen Fahren, von der Digitalisierung bis zur Künstlichen Intelligenz – die Elektro- und Informationstechnik wird allerorten benötigt. Es gibt also keinen Grund zu der Annahme, dass wir in Zukunft weniger Zusatzbedarf haben werden. Zusammenfassend sind die Ergebnisse dramatisch.
Inwiefern dramatisch?
Weil wir viel zu wenig Berufsanfänger haben, die diese Lücke schließen könnten. Denn immer mehr Studierende unseres Faches brechen ihr Studium ab oder wechseln das Fach. 1993 waren das noch etwas mehr als 30 Prozent aller Studierenden. Doch heute sind das 63 Prozent, die Zahlen haben sich also seit dem mehr als verdoppelt! Hinzu kommt, dass auch immer weniger junge Menschen überhaupt mit dem Studium des Fachs Elektrotechnik und Informationstechnik anfangen. So schrieben sich laut der Ende vergangenen Jahres veröffentlichten Zahlen mit 13.100 Studierenden 4,3 Prozent weniger ein als noch im Vorjahr.
Betrifft dieses Problem nicht alle MINT-Fächer?
Eben nicht. Um das genauer zu belegen, habe ich für die Studie einen Beliebtheitsindex für technische Studiengänge entwickelt. Alle Randeffekte wie Corona oder die G8-Umstellung sind hier herausgerechnet. Aus ihm geht klar hervor, dass zum Beispiel immer mehr junge Menschen das Fach Informatik wählen. Heute ist Informatik mit 13 Prozent eines Studierendenjahrgangs das beliebteste technische Studienfach. Dem gegenüber sanken bei der Elektrotechnik die Zahlen von rund 5,4 Prozent im Jahr 2010, auf heute nur noch 3,5 Prozent. Das heißt, wir haben innerhalb von zehn Jahren gut ein Drittel an Beliebtheit verloren. Das ist extrem beunruhigend!
Woran liegt dieser Rückgang der Beliebtheit?
Das versuchen wir gerade mit einer großen weiteren Studie herauszufinden. Aber zum Beispiel sind andere Ingenieurdisziplinen genauso wie die Informatik bei der Rekrutierung weiblicher Studierenden deutlich erfolgreicher. Das sollte uns zu denken geben, zumal es doch eigentlich gar nicht so schwer sein sollte, Menschen für unser Fach zu begeistern?
Wieso sollte das nicht schwer sein?
Jeden Tag hören, lesen oder sehen die jungen Menschen in den Nachrichten, welche Herausforderungen auf uns zukommen. Egal ob dies nun mit dem Klimawandel zu tun hat oder mit dem großen Feld der Digitalisierung. KI und Industrie 4.0 sind weitere große Themen. Und trotzdem bringen sie das einfach nicht mit unserem Beruf zusammen, obwohl man doch genau für diese Bereiche vor allem uns Elektroingenieure benötigt. Das heißt, wir müssen unbedingt vermitteln, dass es eine große Wende, eine grüne und digitale Transformation, nur mit uns geben wird.
Und wie könnten wir diese Botschaft an den Mann bzw. an die Frau bringen?
Das ist die große Frage. Ich bin aber sicher, dass wir das Image der Marke "Elektroingenieur" aufpolieren müssen. Hierzu gilt es genau zu studieren, auf welchen Kanälen, mit welchen Formaten und mit welchen Botschaften man die junge Generation heute erreichen kann. Und das sind sicherlich andere, als noch vor 20 Jahren.
Studie zum Download erhältlich
Die Studie „Arbeitsmarkt Elektroingenieurinnen und Elektroingenieure 2022 – Zahlen, Fakten, Schlussfolgerungen“ ist ab sofort im VDE Shop unter https://shop.vde.com/de/arbeitsmarkt-studie-2022 erhältlich und bietet Lehrenden, Lernenden und Interessierten in Wirtschafts- und Bildungspolitik sowie Verantwortlichen in Unternehmen fundierte Einblicke in den Arbeitsmarkt der Zukunft.