(Friedrichsdorf/Frankfurt a. M., 09.11.2023) Alle zwei Jahre geht der Johann-Philipp-Reis-Preis an junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für bedeutende Innovationen in der Nachrichtentechnik. Gestern wurde die Preisträgerin Prof. Dr.-Ing. Antonia Wachter-Zeh in Friedrichsdorf mit dieser Auszeichnung geehrt. Dr.-Ing. Werner Mohr, einer der Preisgutachter, sieht in ihren Arbeiten einen klaren volkswirtschaftlichen Nutzen: „In unserer modernen Welt haben Daten und ihre Sicherheit eine immense Bedeutung. Es wird immer wichtiger, kritische Infrastrukturen vor Datenmanipulationen zu schützen und steigende Datenmengen zuverlässig speichern zu können. Dazu leistet Professorin Antonia Wachter-Zeh mit ihrer Forschung einen zentralen Beitrag.“ Der mit 10.000 EUR dotierte Preis wird gestiftet von den hessischen Gemeinden Gelnhausen und Friedrichsdorf, wo der Erfinder und Namensgeber Reis lebte, sowie der Deutschen Telekom AG und der Informationstechnischen Gesellschaft im VDE.
Code-basierte Kryptografie sorgt für Sicherheit
Ob es der Zugang zum Online-Banking ist, ein geheimes Regierungsdokument oder die Kommunikation zwischen Stromversorgern: Übertragene Daten müssen bestmöglich gegen Mitlesen und Manipulation geschützt werden, um kriminellen Absichten entgegenzuwirken. Dafür werden heute klassische Sicherheitsprotokolle bei der Informationsverarbeitung im Internet verwendet und ständig weiterentwickelt. Im Bereich Post-Quanten-Kryptografie arbeitet Wachter-Zeh an Verfahren, die auch dann sicher sind, wenn Quanten-Computer zum Einsatz kommen. Die Expertin für Codierungstheorie und Kryptografie erklärt: „Quanten-Computer könnten in 20 bis 30 Jahren Realität sein. Sie werden sicher zunächst nicht in der Breite eingesetzt. Wer aber darüber verfügt, profitiert davon, dass Quanten-Computing die derzeit genutzten Verschlüsselungsmechanismen innerhalb von Sekunden bricht. Daher entwickeln wir beispielsweise kryptografische Signaturen, die auch dann noch zweifelsfrei sicherstellen, dass die Personen miteinander kommunizieren, die miteinander kommunizieren sollen.“ Zwei der von Frau Wachter-Zeh und ihrem Team entwickelten Verfahren wurden inzwischen zur Standardisierung beim National Institute of Standards and Technology eingereicht.
Langzeit-Datenarchivierung mittels DNA-Speicher
Ein zweites zentrales Forschungsgebiet von Prof. Wachter-Zeh ist die Langzeit-Datenspeicherung. Durch die ständig wachsende Menge an Daten steigt die Relevanz von Lösungen, die Informationen kompakt, sicher und auf lange Zeit archivieren zu können. Ein vielversprechender Ansatz dazu ist die Ablage der Daten in ein molekulares biologisches System, das der Systematik der Ablage von Erbgut in der DNA entspricht. „Wenn irgendwo ein Mammutknochen gefunden wird, ist die DNA immer noch lesbar“, stellt Wachter-Zeh fest. „Heutige Datenträger sind zwar gut, aber sie schneiden trotzdem deutlich schlechter ab als das natürliche Vorbild. Mit dem DNA-Speicher arbeiten wir daraufhin, auf synthetisch gebildeten DNA-Strängen Informationen abzulegen und über effiziente Codes fehlerfrei wieder abrufen zu können.“
Um die Technologie weiter auszuarbeiten, kooperiert die an der TU München tätige Professorin für Coding for Communications and Data Storage derzeit im Rahmen eines EU-Projekts mit einem Team aus Biologen und Chemikern.
Über die Preisträgerin
Prof. Dr.-Ing. Wachter-Zeh schloss 2009 ihr Masterstudium in Communications and Systems Technology an der Universität Ulm ab und promovierte 2013 dort und an der Universität Rennes (Frankreich). Nach drei Jahren Forschung als Postdoc am Technion, dem Israel Institute of Technology in Haifa, wurde sie 2016 auf die Professur für Coding for Communications and Data Storage an der Technischen Universität München berufen. Die Expertin für Codierungstheorie und Kryptografie wurde bereits mehrfach ausgezeichnet, beispielsweise mit dem ERC Starting Grant und dem Heinz-Maier-Leibnitz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft. 2019 wurde Prof. Dr.-Ing. Wachter-Zeh als TOP25-Forschende der TU München geführt.
Über den Johann-Philipp-Reis-Preis
Johann Philipp Reis wurde 1834 in Gelnhausen geboren, er starb 1874 in Friedrichsdorf. Der Physiker und Erfinder gilt mit seiner Entwicklung, Töne über elektrische Leitungen zu übertragen, als Wegbereiter des Telefons. Der Johann-Philipp-Reis-Preis wird seit 1986 regelmäßig alle zwei Jahre ausgeschrieben. Er wendet sich an Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen bis 40 Jahre. Ausgezeichnet werden bedeutende nachrichtentechnische Neuerungen, die Auswirkungen auf die Volkswirtschaft initiiert haben oder erwarten lassen. Die Preisträgerinnen und Preisträger werden von den Expertinnen und Experten der Informationstechnischen Gesellschaft im VDE ausgewählt.