In bautechnischer Hinsicht markiert der in den 1960er Jahren errichtete Dresdener Fernsehturm eine innovative Lösung durch die konstruktiv neuartige Kelchform des Turmkopfes. Hinsichtlich der Funktechnik steht der zunächst für die Aussendung von Fernseh- und Hörrundfunksignalen gedachte Turm zum einen für den Wandel von der analogen zur digitalen Sendetechnik, andererseits auch für die Erweiterung der Sendetechnik auf Anlagen für den Richtfunk- und Mobilfunkverkehr.
Beschreibung
erbaut: 1963-69
Architekten: Kurt Nowotny, Hermann Rühle, Johannes Braune
Bauherr: Deutsche Post
Der Fernsehturm in Dresden, zunächst vor allem zur Aussendung der Fernsehsignale gedacht, wurde bereits 1958 von dem Dresdener Ingenieur Hermann Rühle angeregt, der eine Zeitlang im Stuttgarter Büro Leonhardt, Andrä & Partner gearbeitet hatte. Das Bauwerk wurde von ihm gemeinsam mit dem Chefarchitekten der Deutschen Post, Kurt Nowotny, entworfen. Die Errichtung des rund 167 m hohen Stahlbetonschaftes erfolgte in den Jahren von 1963 bis 1965. Daran schlossen sich der Ausbau der Fernmelde-Betriebsräume und des Turmrestaurants an. Mit der Montage der 85 m hohen, von einem Kunststoffzylinder ummantelten Antenne, erreichte der Turm 1968 seine endgültige Höhe von 252 m. Im September 1969 konnte der Turm technisch in Betrieb genommen werden. Der in rund 7 km Entfernung vom Dresdener Stadtzentrum stehende Turm ist fast vom gesamten Stadtgebiet sowie vom Elbsandstein- und Osterzgebirge aus zu sehen. Daher wurde auf seine Gestaltung und Platzierung besondere Sorgfalt verwendet, so dass er sich maßstäblich in das Stadt- und Landschaftsbild einfügt und als unangenehm empfundene Überschneidungen mit anderen Bauwerken vermieden wurden.
Die Planungen sahen acht Betriebsgeschosse, einen oberhalb von diesen angeordneten sechsgeschossigen Gastronomieteil mit zwei Restaurants mit 132 Plätzen und darüber in 148 m Höhe eine offene Aussichtsplattform mit einer Kapazität von bis zu 50 Besuchern vor. Um dies zu gewährleisten, wurde eine Konstruktion gewählt, bei der sich der Turmschaft in einen äußeren Kelch und einen Innenschaft verzweigt. Um dieses hochgradig statisch unbestimmte System von Schalen, Platten und Scheiben, dessen theoretische Berechnung sich als außerordentlich schwierig erwies, in seinen statischen Eigenschaften exakter beurteilen zu können, wurde zusätzlich zu den Berechnungen mit einem vereinfachten mathematischen Ersatzsystem eine Festigkeits- und dynamische Modelluntersuchung durchgeführt. Das Modell des Turmkopfs wurde aus mehreren Gipsteilen gefertigt, die mit Epoxydharz geklebt wurden. Die Verformungen durch die verschiedenen Lastfälle (Wind, Eigengewicht und Verkehrslasten) wurden mittels Dehnungsmessstreifen und Feinmessuhren ermittelt.
Der 94,60 m hohe konische Stahlbetonschaft ist auf einem Stahlbeton-Kreisringfundament von 21 m Durchmesser mit aufgesetzter Kegelstumpfschale gegründet. Der Schaft wurde in einer Schornstein-Kletterschalung hergestellt. Beim Bau realisiert wurden schließlich 20 Kopfgeschosse. Von dreien der im Kelch angeordneten Betriebsgeschosse kragen Ringplatten zur Aufstellung der Parabolantennen aus. Die Geschosse werden über zwei Schnellaufzüge für den Personen- und Warentransport erschlossen, die an einem in den Schaft eingebauten Schachtgerüst geführt werden, das gleichzeitig als Träger für Kabel, Rohrleitungen und die Nottreppe dient. Die Schnellaufzüge waren eine Neuentwicklung des Leipziger Instituts für Fördertechnik. Mit ihrer Fahrgeschwindigkeit von 6 m/s gehörten sie damals zu den schnellsten Personenaufzügen Europas. Die getriebelos arbeitenden und gleichmäßig beschleunigenden Gleichstrom-Antriebsmaschinen wurden über dem Aufzugsschacht platziert, die zur Gleichstromerzeugung dienenden Leonard-Umformer wurden am Tumfuß aufgestellt.
Der Antennenträger wurde im unteren Teil aus geschweißten Stahlrohrsegmenten aufgebaut, darüber wurde ein - antennentechnisch bedingter - Zylinder aus glasfaserverstärktem Polyester angeordnet. Zur Abminderung der Schwingungen wurde in den oberen Teil des Antennenträgers ein Tilgerpendel (Schwingungstilger) eingebaut, bestehend aus einer an Seilen aufgehängten, hydraulisch wirkenden Dämpfungsmasse. Der Antennenträger besitzt eine Gesamthöhe von rd. 80 m.
Bis zur politischen Wende wurden von dem Fernsehturm die Radioprogramme der DDR (Berliner Rundfunk, Radio DDR I und II und Stimme der DDR) sowie das Fernsehprogramm ausgestrahlt. Von 1989 bis Januar 1992 wurde auch das Programm des Jugendradios »DT64« von hier gesendet. Seit 1989 wurden die analogen Radioprogramme des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR), des Deutschlandfunks und einiger privater Radiosender sowie die Fernsehprogramme vom ARD, ZDF, MDR III, VOX und Sat1 vom Wachwitzer Fernsehturm aus verteilt. Im Juli 2007 erfolgte die Umstellung der Fernsehausstrahlung auf das DVB-T-Signal. Mittlerweile werden auch die digitalen Radioprogramme des MDR und des DAB+ Blocks der Media Broadcast GmbH ausgestrahlt. Heute werden von dem Sendeturm auch Richtfunksignale (für Mobilfunk und sonstigen Datenverkehr) empfangen und ausgesendet. Damit ist der frühere Fernsehturm heute eigentlich ein Fernmeldeturm.
Im Juni 1991 wurde der von der Deutschen Funkturm GmbH, einer Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom AG, betriebene Turm für die Öffentlichkeit geschlossen. Seit 2008 gibt es immer wieder neue Versuche, den Turm wieder öffentlich zugänglich zu machen, jedoch belaufen sich die für die Sanierung und Ertüchtigung der technischen Einrichtungen erforderlichen Investitionen auf schätzungsweise rund 10 Mio. Euro. Ob dieses Ziel erreicht werden kann, lässt sich auf der Website des Fördervereins »Fernsehturm Dresden e.V.« verfolgen.
Informationsstand: 09.08.2017
Schlagworte: Sendeanlagen; Informations- und Kommunikationstechnik (IKT); Nachrichten- und Kommunikationstechnik; Fernseh- / Fernmeldetürme
Stichworte: Leonhardt, Andrä & Partner; Kurt Nowotny; Hermann Rühle; Johannes Braune; Deutsche Post; Fernsehturm; Dresden; Fernsehsignal; Stahlbetonschaft; Betriebsgeschoss; Turmrestaurant; Kreisringfundament; Kegelstumpfschale; Kletterschalung; Parabolantenne; Schnellaufzug; Institut für Fördertechnik; Gleichstrom-Antriebsmaschine; Leonard-Umformer; Antennenträger; Tilgerpendel; Radio DDR I; Radio DDR II; Stimme der DDR; Jugendradio DT64; DVB-T-Signal; Richtfunksignal; Fernmeldeturm; Deutsche Funkturm GmbH; Deutsche Telekom AG
Quelle(n)
- Roman Ciesielski (u.a.), Behälter, Bunker, Silos, Schornsteine und Fernsehtürme. Zweite, neubearbeitete Aufl., Berlin 1985
- Erwin Heinle / Fritz Leonhardt, Türme aller Zeiten - aller Kulturen, Stuttgart 1988
- Hermann Rühle (u.a.), Fernseh- und UKW-Turm Dresden. Bautechnische Projektierung und Bauausführung; in: Bauplanung - Bautechnik 25(1971), Heft 1, S. 14-20
- Hermann Rühle (u.a.), Durchführung und Ergebnisse eines Modellversuches für den Fernsehturm Dresden; in: Bauplanung - Bautechnik 19(1965), Heft 7, S. 347-349