Der 1973 vollendete Neubau für die Nachrichtentechnischen Institute der Technischen Hochschule Darmstadt demonstriert die stürmische Entwicklung dieses Fachgebiets und seine Institutionalisierung an den Technischen Hochschulen nach dem Zweiten Weltkrieg. In dem Neubau fanden auch die damals innovativen Einrichtungen der Elektronischen Datenverarbeitung, unter anderem das Rechenzentrum, Unterkunft.
Beschreibung
erbaut: 1969-73
Architekt: Ernst Neufert
Nachdem Hans Busch 1929 zum ordentlichen Professor für »Fernmeldetechnik« an der TH Darmstadt berufen worden war, ergriff er die Initiative zum Bau eines eigenen Institutsgebäudes, das 1934 vollendet wurde. Im Zweiten Weltkrieg blieb das Gebäude von Zerstörungen verschont, so dass die Fernmeldetechnik zunächst eine Bleibe hatte. Bereits 1935 war die Einrichtung einer zweiten Professur für Fernmeldetechnik in Aussicht genommen worden. 1949 wurde diese Planung in die Tat umgesetzt und Friedrich W. Gundlach auf den neuen Lehrstuhl für »Hochfrequenztechnik« berufen. Als Gundlach 1954 an die Technische Universität Berlin berufen wurde, folgte ihm Otto Zinke als Vertreter der Hochfrequenztechnik. Die Nachfolge von Hans Busch auf dem Lehrstuhl für »Allgemeine Fernmeldetechnik« hatte 1952 Karl Küpfmüller angetreten.
Nach der Emeritierung von Ludwig Lebrecht (»Elektrische Anlagen«) 1963 und von Karl Küpfmüller 1964 wurden die Aufgabengebiete der elektrotechnischen Lehrstühle neu geordnet. Mit der Zunahme der Bedeutung der Elektrotechnik, insbesondere der nachrichtentechnischen Fachgebiete, wurde zugleich die Zahl der Lehrstühle der Fakultät erweitert. Neben der Neubesetzung von Küpfmüllers Lehrstuhl mit Wilhelm Klein war auf Anregung von Küpfmüller bereits ein Jahr zuvor der neue Lehrstuhl für »Elektromechanische Konstruktionen« geschaffen worden, auf den Curt Brader berufen wurde. Zusätzlich wurde eine neue Professur für »Nachrichtenverarbeitung« geschaffen, die 1964 mit Robert Piloty besetzt wurde. Piloty wirkte maßgeblich an dem vom Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT) getragenen Förderprogramm für die Datenverarbeitung mit. Hauptsächlich seiner Initiative ist es auch zu verdanken, dass an der TH Darmstadt die Fachrichtung »Datentechnik« (»Technische Informatik«) eigerichtet und später, in Zusammenarbeit mit dem Professor für Betriebswirtschaftslehre, Hartmut Wedekind, der eigenständige Fachbereich »Informatik« gegründet wurde.
Um den Instituten einen für den modernen Lehr- und Forschungsbetrieb geeigneten Rahmen zu verschaffen, wurden 1963 die Planungen für einen Neubau aufgenommen. Erst im Juli 1969 konnte jedoch der erste Spatenstich erfolgen. Der Neubaukomplex entstand, wie auch der Bau für die Starkstromtechnischen Institute, in der vom Krieg gerissenen Baulücke im ehemaligen Altstadtbereich von Darmstadt. Der erste Teilabschnitt des Bauwerks konnte im September 1971 bezogen werden, komplett fertiggestellt war der Neubau Anfang 1973. In dem Neubau mit einer Nutzfläche von knapp 11.700 qm wurden die Institute für »Nachrichtentechnik« - die alte Bezeichnung »Fernmeldetechnik« war 1971 aufgegeben worden -, für »Hochfrequenztechnik«, »Nachrichtenverarbeitung«, »Elektromechanische Konstruktionen« und ein Rechenzentrum untergebracht. Außer Werkstätten, drei Hörsälen mit 100, 120 und 300 Sitzplätzen, den Laborräumen für Lehre und Forschung und der Institutsbibliothek für 15.000 Bände umfasste der Baukomplex eine Reihe von Sonderräumen. Dazu gehörte ein schalltoter Raum im Tiefgeschoss zur Messung und Erprobung hochempfindlicher akustischer Geräte (Mikrophone, Lautsprecher und dergleichen), ein Hallraum für die Messung akustischer Effekte und ein Absorberraum zur reflektionsfreien Messung und Erprobung von Strahleranordnungen der Hochfrequenztechnik. Messflächen für Antennenuntersuchungen auf den Dächern des Gebäudes bis zu einer maximalen Länge von 60 m komplettierten die Ausstattung. Von den verschiedenen Dachebenen konnten auch Versuche mit Laserstrahlen und Radareinrichtungen durchgeführt werden
Das gesamte Bauwerk wurde in Stahlbetonkonstruktion in Ortbetonbauweise unter teilweiser Verwendung vorgefertigter Elemente errichtet und mit einer Klinkerfertigteilfassade verkleidet. Aus wirtschaftlichen Gründen wurden die Institutstrakte in Scheibenbauweise errichtet. Für den vertikalen Verkehr wurden drei Treppenhäuser, drei Personenaufzüge und ein Lastenaufzug eingebaut. Alle Labor- und Arbeitsräume wurden in einem genormten Raster mit Hilfe von Ausbauelementen errichtet, so dass es jederzeit möglich ist, neu erforderlich werdende Installationen nachträglich einzurichten. Bei der Konzeption des Bauwerks wurde besonders darauf geachtet, dass die durch das nahe gelegene herzogliche Schloss und einige andere vorbildliche benachbarte Bauten gesetzten städtebaulichen Maßstäbe gewahrt blieben. Nach Fertigstellung erhielt das Gebäude in einer Feier im November 1972 zu Ehren des Begründers der Fernmeldetechnik an der TH Darmstadt den Namen »Hans-Busch-Institut«.
Informationsstand: 28.03.2017
Schlagworte: Nachrichtentechnik; Studium, Beruf, Gesellschaft; Studium
Stichworte: Ernst Neufert; Hans Busch; Fernmeldetechnik; Technische Hochschule Darmstadt; Zweiter Weltkrieg; Friedrich W. Gundlach; Hochfrequenztechnik; Technische Universität Berlin; Otto Zinke; Allgemeine Fernmeldetechnik; Karl Küpfmüller; Ludwig Lebrecht; Wilhelm Klein; Elektromechanische Konstruktionen; Curt Brader; Nachrichtenverarbeitung; Robert Piloty; Bundesministerium für Forschung und Technologie; BMFT; Förderprogramm; Datenverarbeitung; Datentechnik; Technische Informatik; Hartmut Wedekind; Informatik; Altstadtbereich; Darmstadt; Rechenzentrum; schalltoter Raum; Hallraum; Absorberraum; reflektionsfreie Messung; Antennenuntersuchung; Lasertechnik; Radartechnik; Stahlbetonkonstruktion; Ortbetonbauweise; Klinkerfertigteilfassade; Scheibenbauweise; Hans-Busch-Institut
Quelle(n)
- Dietrich Blankenburg / Marianne Viefhaus [Red.], Jahrbuch 1976/77. 100 Jahre Technische Hochschule Darmstadt, Darmstadt 1977
- Joachim P. Heymann-Berg / Renate Netter / Helmut Netter, Ernst Neufert. Industriebauten, Wiesbaden / Berlin / Hannover 1973
- Kurt Jäger / Friedrich Heilbronner, Lexikon der Elektrotechniker, 2. Aufl., Berlin / Offenbach 2010