Main-Kraftwerke AG (Schaltanlage)_01
2006/08 Norbert Gilson
11.10.2022

Main-Kraftwerke AG (Schaltanlage)

Schützenbleiche, 65929 Frankfurt am Main

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VDE Ausschuss Geschichte der Elektrotechnik

Aus der Zeit, als die 1910 gegründete Main-Kraftwerke AG als eigenständiges Unternehmen die Stromversorgung im Frankfurter Raum betrieb, sind nach der Eingliederung in die Süwag Energie AG nur noch das in den 1920er Jahren entstandene Schalthaus sowie ein auch aus dieser Zeit stammendes Abspanngerüst übrig geblieben. Diese Reste erinnern heute an die ehemalige Bedeutung des Unternehmens für die Herausbildung des Verbundbetriebs in der deutschen Elektrizitätsversorgung in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre.

Beschreibung

erbaut: 1910
Ausführung: Jos. Kunz Söhne

Für die 1910 in der damals noch selbständigen Stadt Höchst am Main gegründete Main-Kraftwerke AG (MKW) wurde noch im gleichen Jahr mit dem Bau eines Kraftwerks begonnen. Die Ausführung wurde der in Höchst ansässigen Bauunternehmung Jos. Kunz Söhne übertragen, die sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts, bedingt vor allem durch Aufträge für die Hochbauten der Farbwerke Meister Lucius & Brüning, der späteren Farbwerke Höchst AG, bereits zu einem Großunternehmen entwickelt hatte. Nach nur einjähriger Bauzeit konnte das Kraftwerk in Betrieb gehen und erzeugte mit zwei 2.200 kW-Drehstrom-Turbosätzen 1911 den ersten Strom. Nach Verstärkung der Kessel- und Maschinenausstattung in der Zentrale Höchst in den Jahren 1913, 1915, 1917 und 1922 erreichte das Kraftwerk Mitte der 1920er Jahre eine Leistungsfähigkeit von 19.400 kW. Noch vor dem Ersten Weltkrieg erwarben die MKW das Wasserkraftwerk Friedrichssegen an der Lahn und dehnten damit ihr Versorgungsgebiet nach Westen aus. 1921 expandierte das Unternehmen weiter durch den Erwerb sämtlicher Aktien der 1899 gegründeten, in Eltville ansässigen Rheingau Elektricitätswerke AG. Das Kraftwerk in Höchst wurde bereits in den 1930er Jahren zu einem Spitzenlastkraftwerk umgewandelt, da der von den MKW verteilte Strom zum überwiegenden Teil vom RWE bezogen wurde.

Mitte der 1950er Jahre wurde das Kraftwerk zur Leistungssteigerung um eine Vorschaltanlage erweitert, bestehend aus einem modernen Naturumlaufkessel mit Schmelzkammerfeuerung (125 atü, 525°C und 80 t Dampfleistung pro Stunde) und einer Vorschaltmaschine von 8.000 kW. Das alte 10.000-kW-Tuboaggregat fungierte nun als Nachschaltmaschine. In den Jahren 1959/60 wurde die Anlage um einen neuen Kraftwerksblock, wiederum mit einem, allerdings größeren, Kessel desselben Systems (165 atü, 535°C, 200 t/h Dampfleistung) erweitert. Der zugehörige neue Turbosatz verfügte über eine Leistung von 64 MW. Die Zeichnung (Foto 1) stellt, nicht ganz originalgetreu, das Werksgelände zu dieser Zeit dar, mit dem am Mainufer gelegenen Kohlenlagerplatz mit Krananlage und dem dahinter hoch aufragenden Kesselhaus mit aufgesetzter Rauchgasfilteranlage mit Schornstein. Das Kraftwerk blieb bis zum Ende der 1990er Jahre in Betrieb und wurde in den Jahren 2004/05 abgerissen. Auf Foto 2 erkennt man noch die Fundamente des ehemaligen Kraftwerkskomplexes einige Monate nach der Beseitigung der Bauten. 2001 ging die Main-Kraftwerke AG in der neu gegründeten Süwag Energie AG auf, zu der mehrere Elektrizitätsversorgungsunternehmen in Hessen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zusammengeschlossen wurden. Der Sitz des neuen Unternehmens befindet sich in Frankfurt-Höchst am alten Standort der Main-Kraftwerke AG.

Die Geschichte der Main-Kraftwerke AG ist eng mit einer wichtigen Etappe in der Geschichte des Elektrizitätsverbundsystems verknüpft. Aus dieser Zeit stammen das Schalthaus mit drei- bzw. vierachsigen, rechtwinkligen Anbauten sowie das mächtige Abspanngerüst (Foto 3) für die 110 kV-Leitungen, die von hier aus den Main kreuzen (Foto 4). Die Abspannmasten wurden zwischen 1924 und 1926 errichtet, als eine 110 kV-Leitung von Höchst nach Kelsterbach gebaut wurde, wo ein Anschluss an die zwischen dem rheinischen Braunkohlenrevier und den Vorarlberger Wasserkräften neu errichtete Süd-Leitung des RWE hergestellt wurde. Eine weitere 110-kV-Leitung führte von Höchst aus in Richtung Südosten über Dettingen bis nach Aschaffenburg, um eine Verbindung mit dem Netz der  Bayernwerk AG zu erstellen. Im Mai 1927 lieferten die MKW zum ersten Mal an die Bayernwerke AG Aushilfsstrom, den sie ihrerseits vom RWE bezogen hatten. Auf diese Weise erfüllten die heute noch verbliebenen Anlagen eine wichtige Verbindungsfunktion im damals entstehenden Verbundsystem.

 
Informationsstand: 10.02.2018
Schlagworte: Elektrizitätsübertragung / -verteilung; Umspannwerk / Umspannanlage; Energy; Energie; Energienetze
Stichworte: Main-Kraftwerke AG; MKW; Süwag Energie AG; Höchst am Main; Jos. Kunz Söhne; Rheingau Elektricitätswerke AG; Kraftwerk; Vorschaltanlage; Naturumlaufkessel; Schmelzkammerfeuerung; Vorschaltmaschine; Kohlenlagerplatz; Krananlage; Rauchgasfilteranlage; Kesselhaus; Elektrizitätsverbundsystem; Schalthaus; Abspanngerüst; Kelsterbach; Südleitung; RWE; Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk AG; Dettingen; Aschaffenburg; Bayernwerk AG; Verbundsystem; 110-kV-Freileitung

Quelle(n)

  • Volker Rödel, Ingenieurbaukunst in Frankfurt am Main 1806 - 1914, Frankfurt am Main 1983
  • Main-Kraftwerke Aktiengesellschaft (Hrsg.), 50 Jahre Main-Kraftwerke Aktiengesellschaft Frankfurt am Main-Höchst. 1910 - 1960
  • Katharina Iskandar, Spuren des schwarzen Goldes erinnern an alte Zeiten; in: FAZ, Nr. 12, 15. Januar 2005

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