Die in Berlin ansässige Radio AG D.S. Loewe war in den 1920er und 1930er Jahren, nicht zuletzt durch die besondere technisch-physikalische Begabung von Siegfried Loewe, eines der wichtigsten Pionierunternehmen bei der Entwicklung von Elektronenröhren und der Fernsehtechnik. Trotz heftiger Konkurrenz konnte sich das nach dem Zweiten Weltkrieg ins oberfränkische Kronach verlegte Unternehmen weiterhin als Fernsehproduzent am Markt behaupten.
Beschreibung
erbaut: 1939-41
Architekt: Paul Renner
Der in betont sachlicher Architektur von Paul Renner entworfene fünfgeschossige Fabrikbau wurde als abgewinkelter, zweiflügliger Baukörper mit abgerundeter Ecke ausgeführt. In die glatten roten Klinkerwände sind die gleichmäßig aneinandergereihten Fenster eingeschnitten. Die Einfahrten und Eingänge sind mit grauem Naturstein hervorgehoben.
Aus der 1923 von den Brüdern Siegmund und David Loewe gegründeten Firma Radiofrequenz GmbH bildete sich bis zum Ende der 1920er Jahre ein Geflecht verschiedener Tochter- und Zweigunternehmen. 1930 wurden die Loewe-Firmen unter der neubegründeten Radio AG D. S. Loewe vereinigt und die Produktionsstätten am Standort in Steglitz gebündelt. Die Firma entwickelte sich zu einem bedeutenden Unternehmen für die Herstellung von Elektronenröhren und Rundfunkgeräten sowie für die Forschungen auf dem Gebiet der Fernsehtechnik. Treibende Kraft war Siegmund Loewe, der nach Tätigkeiten bei der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (PTR) und bei Telefunken in Jena Physik und Astronomie studiert hatte und 1912 bei Max Wien, dem damals führenden Kopf der Funktechnik, zum Dr.phil. promoviert worden war. Mit Lee De Forest arbeitete er zusammen an verschiedenen Verbesserungen von Elektronenröhren. An der Entwicklung der bahnbrechenden Dreifachröhre - einem kompletten Gleichrichter- und Verstärkersystem inklusive Endstufe zum Betrieb eines Lautsprechers - war unter anderem der Physiker Manfred von Ardenne (1907–1997) beteiligt.
Zusammen mit den Firmen Zeiss Ikon AG, Robert Bosch AG und der Londoner Baird Television Ltd., der damals in Europa führenden Fernsehentwicklungsgesellschaft, war die Radio AG D. S. Loewe an der Gründung der Fernseh AG im Juni 1929 beteiligt. Im Dezember 1930 nahm die erste Fernseh-Anlage mit elektronischen Aufnahme- und Wiedergabe-Geräten den Betrieb auf, fünf Jahre vor Einführung des öffentlichen Fernsehens in Deutschland im Jahre 1935.
Nachdem David Loewe bereits unmittelbar nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten aus dem Vorstand ausgeschieden und in die USA emigriert war, folgte ihm sein Bruder Siegfried 1938 nach der zwangsweisen »Arisierung« des Unternehmens. 1939 wurde das Unternehmen in die Kriegsproduktion für die Luftwaffe einbezogen. Aus der Produktionsverlagerung nach Oberfranken in den letzten Kriegsmonaten entwickelte sich der neue Standort in Kronach, wo seit 1948 die neuen Produktionsanlagen aufgebaut wurden. 1978 erfolgte die endgültige Stilllegung der Radioproduktion im Stammwerk Berlin-Steglitz und 1979 die Auflösung des Standortes.
Informationsstand: 22.07.2015
Schlagworte: Elektroindustrie; Nachrichtengerätebau; Geschichte der Elektro- und Informationstechnik; Gebäudetechnik + Hausgeräte + SmartDevices; Haushaltsgeräte
Stichworte: Dreifachröhre; Elektronenröhre; Fernsehtechnik; Manfred von Ardenne; Siegfried Loewe; David Loewe; Physikalisch-Technische Reichsanstalt; PTR; Telefunken; Jena; Physik; Astronomie; Max Wien; Funktechnik; Lee De Forest; Zeiss Ikon AG; Robert Bosch AG; Baird Television Ltd.; Fernseh AG; Fernsehen; Fernsehtechnik; elektronisches Aufnahmegerät; elektrisches Wiedergabegerät; öffentliches Fernsehen; Arisierung; Produktionsverlagerung; Zweiter Weltkrieg; Kronach
Quelle(n)
- Volker Rödel, Reclams Führer zu den Denkmalen der Industrie und Technik in Deutschland. Bd. 2. Neue Länder - Berlin, Stuttgart 1998
- Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Denkmalliste Berlin (Stand: 16.04.2013), Nr. 09065386
- Thorsten Dame, Elektropolis Berlin. Architektur- und Denkmalführer, Berlin 2014
- Helmut Anschütz, Siegmund Loewe; in: Kurt Jäger / Friedrich Heilbronner, Lexikon der Elektrotechniker, 2. Aufl., Berlin/Offenbach 2010, S. 270-271