Versuchsatomkraftwerk Kahl GmbH_Bild 1
2013 Norbert Gilson
01.09.2020

Versuchsatomkraftwerk Kahl GmbH

Kölner Straße, 63791 Karlstein a. Main

Kontakt
VDE Ausschuss Geschichte der Elektrotechnik

Beschreibung


erbaut: 1958-60
Bauausführung: Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft (AEG)
abgerissen: 1988-2010

Mit der Gründung der Versuchsatomkraftwerk Kahl GmbH (VAK) am 30. Oktober 1958 begann in der Bundesrepublik Deutschland der Einstieg in die Nutzung der Kernenergie zur Stromerzeugung. Gesellschafter der VAK waren mit 80% Beteiligung die Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk AG und die Bayernwerk AG, die einen 20%-igen Anteil übernahm. Mit der Bauausführung beauftragt wurde die  Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft (AEG), die einen Siedewasserreaktor von 15 MW elektrischer Leistung bei der US-amerikanischen International General Electric & Co bestellte. Die Planungen für die Anlage hatten bereits Mitte des Jahres 1955 begonnen, nachdem die Bundesrepublik im Mai 1955 nach Ratifizierung der Pariser Verträge ihre weitgehende Souveränität erlangt hatte. Damit war auch der Weg frei geworden für ein Engagement von Staat und Industrie auf dem Sektor der Kernenergieforschung und -nutzung.

Der Bauplatz für das Atomkraftwerk lag auf dem Gebiet der bayerischen Gemeinde Großwelzheim, die 1975 im Zuge der Gebietsreform mit der Gemeinde Dettingen am Main zur neuen Gemeinde Karlstein a. Main vereinigt wurde. Die Gemeinde Kahl a. Main war der Nachbarort von Großwelzheim. Ob die Rücksichtnahme auf die in den Anfangsjahren im Kraftwerk tätigen US-amerikanischen Techniker in Bezug auf eine sprachliche Erleichterung des kurzen Namens »Kahl« oder aber die postalische Zugehörigkeit des ursprünglich in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen Braunkohlekraftwerks Dettingen (inzwischen ebenfalls abgerissen) zu Kahl maßgebend für die Namensgebung des Versuchsatomkraftwerks waren, kann man nur vermuten. Der Standort hatte außerdem den Vorteil, dass das Einlaufbauwerk des benachbarten Kraftwerks Dettingen die Kühlwasserversorgung des Atomkraftwerks übernehmen konnte und im Notfall der Elektrizitätseigenbedarf des Kernkraftwerks aus der Nachbaranlage gedeckt werden konnte.

Am 13. November 1960 ging das erste kommerzielle Kernkraftwerk der Bundesrepublik Deutschland durch die erste selbsterhaltende Kettenreaktion in Betrieb und am 17. Juni 1961 lieferte es erstmals Strom ins öffentliche Versorgungsnetz. Ein wichtiger Zweck der Anlage war es auch, Erfahrungen für den späteren Bau und Betrieb größerer Atomkraftwerke zu sammeln. So wurden Materialtests und Versuchsreihen zur Erprobung neuentwickelter Brennelemente durchgeführt, unter anderem von Mischoxyd- (MOX-)Elementen unter Verwendung von Plutonium als Brennstoff. Ein weiterer Schwerpunkt lag in der Aus- und Weiterbildung von Kraftwerkspersonal für andere Anlagen.

Der Reaktor wurde am 25. November 1985 nach 25 Betriebsjahren planmäßig abgeschaltet. Bis dahin hatte er insgesamt 150.000 Betriebsstunden absolviert und in dieser Zeit rund 2,1 GWh Strom ins Netz geliefert. Seit 1986 wurde der Rückbau vorbereitet, 1988 begannen die ersten Arbeiten. Das Sammeln von Erfahrungen mit dem erstmaligen vollständigen Rückbau eines Kernkraftwerks mit längerer Laufzeit stand auch hierbei im Vordergrund. Neuartige Verfahren der Dekontaminierung und Materialtrennung wurden angewendet und erprobt. Ende 2008 waren die Rückbauarbeiten des Reaktorgebäudes und aller aktivierten Anlagenteile vollständig abgeschlossen. Die restlichen Gebäude- und Anlagenteile wurden im Juni und Juli 2010 abgerissen.

Am Rande des früheren Besucherparkplatzes erinnern heute ein Turbinenläufer-Relikt und zwei Erklärungstafeln an die Geschichte des Atomkraftwerks Kahl. Erkennbar sind auch noch die südliche und die nördliche Zufahrt zum Kraftwerksgelände. An der nördlichen Zufahrt ist noch die ehemalige Kraftwerksschaltanlage erhalten und weiterhin in Betrieb.

Informationsstand: 31.12.2013
Schlagworte: Atomkraftwerke; Stromerzeugung; Energie; Energy
Stichworte: Versuchsatomkraftwerk Kahl GmbH; VAK; Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk AG; RWE; Bayernwerk AG; Kernenergienutzung; Atomenergienutzung; Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft; AEG; Siedewasserreaktor; International General Electric & Co; Atomkraftwerk; Braunkohlekraftwerk Dettingen; Brennelemente; Mischoxydelemente; MOX-Elementen; Plutonium; Rückbau; Dekontaminierung
 

Quelle(n)

  • Dietmar Bleidick, Pionier der deutschen Kernenergie. Geschichte des VAK Kahl, 1958 - 2010, o.O. (2010)
  • Hinweistafeln am ehemaligen Standort

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