Das Selbstanschlussamt West in Nürnberg repräsentiert die Durchsetzung der Automatisierung in der Fernsprechvermittlungstechnik in den 1920er Jahren. Der repräsentative Bau des Selbstanschlussamtes ist zugleich ein Dokument für die „Umhüllung” technischer Anlagen mit historisierender Architektur.
Beschreibung
erbaut: 1926-27
Der mit Treppengiebeln und Dachgauben versehene, viergeschossige Satteldachbau an der Ecke Rothenburger Straße / Schreyerstraße repräsentiert ein Stück Nürnberger Fernmeldegeschichte. Das 1885 auch in Nürnberg von der bayerischen Postverwaltung eingeführte Telefonsystem funktionierte zunächst, wie überall, auf Basis der Handvermittlung. Die „Fräuleins vom Amt” stellten mit Hilfe von Klinkensteckern an großen Vermittlungsschränken eine gewünschte Verbindung zwischen zwei Gesprächsteilnehmern per Hand her.
Um die Wende zum 20. Jahrhundert kamen, zunächst in den USA, Apparate auf, mit denen die Vermittlung von Fernsprechverbindungen durch selbsttätige Wähl- und Vermittlungseinrichtungen automatisiert werden konnte. Auch in Deutschland gingen seit 1909 zunehmend automatische Vermittlungsämter für den Selbstwähl-Fernsprechverkehr innerhalb der Ortsnetze in Betrieb.
In Nürnberg nahmen in den 1920er Jahren insgesamt fünf solcher Selbstanschlussämter ihren Dienst auf, über die selbsttätig Gespräche zwischen Fernsprechteilnehmern im Stadtgebiet geschaltet werden konnten. Zur Unterbringung der technischen Anlagen entstand dabei im Nürnberger Westen auch der Putzbau in der Rothenburger Straße mit Tuffsteinverkleidung im Erdgeschoss und viergeschossigem Spitzerker aus Tuffstein im expressionistischen Heimatstil.
Nach und nach wurde der Selbstwähldienst auf überörtliche und nach dem Zweiten Weltkrieg auch auf internationale Verbindungen erweitert. Die Entwicklung der Elektronik sowie der Informationstechnik führte seit den 1970er dazu, dass die alte, auf elektromechanischer Relaistechnik beruhende Vermittlungstechnik nach und nach ausgemustert wurde. Für die moderne Kommunikationstechnik des ISDN- und DSL-Zeitalters wurden vollständig neue Anlagen errichtet, so dass die alten Gebäude funktionslos wurden. Das Selbstanschlussamt West wurde von einer modernen Anlage in der Oberen Kanalstraße abgelöst. Das ehemalige Selbstanschlussamt West beherbergt nach einem Umbau heute verschiedene städtische Ämter.
Informationsstand: 09.08.2017
Schlagworte: Fernsprech- / Vermittlungsämter; Informations- und Kommunikationstechnik (IKT); Nachrichten- und Kommunikationstechnik
Stichworte: Treppengiebel; Dachgaube; Satteldach; Fernmeldegeschichte; Nürnberg; Bayerische Postverwaltung; Handvermittlung; Wähleinrichtung; Vermittlungseinrichtung; Automatisierung; Vermittlungsamt; Selbstwähl-Fernsprechverkehr; Selbstanschlussamt; Putzbau; Tuffsteinverkleidung; Spitzerker; Expressionismus; Heimatstil; Elektronik; Informationstechnik; Relaistechnik; Vermittlungstechnik; ISDN
Quelle(n)
- Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, Regierungsbezirk Mittelfranken, Nürnberg (Stadt), Baudenkmäler, Nr. D-5-64-000-1696 (Stand: 20.04.2016)
- Christian Koch / Christian Täubrich (Red.), Industriekulturpfad 2. Eine stadtgeschichtliche Wanderung durch St. Leonhard und Schweinau, Nürnberg 1985