Elektrizitätswerk Mannheim-Industriehafen_Bild4
2013/15 Norbert Gilson
25.02.2020

Elektrizitätswerk Mannheim-Industriehafen

Helmholtzstraße 2-4 / Fardelystraße, 68169 Mannheim 

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VDE Ausschuss Geschichte der Elektrotechnik

Das Elektrizitätswerk Mannheim-Industriehafen läutete nicht nur den Beginn der öffentlichen Elektrizitätsversorgung der Industriestadt Mannheim ein, sondern die Bedingungen für die Vergabe des Bauauftrags führten auch zur Gründung der ersten deutschen Produktionsstätte des Schweizer Unternehmens Brown, Boveri & Cie. (BBC) in Mannheim.

Beschreibung


erbaut: 1898-99 / 1910 (Umbau, Erweiterung)
Bauherr: Stadt Mannheim

Auch im Mannheimer Stadtrat wurde Ende der 1880er Jahre über die Einführung des elektrischen Stroms und den Bau eines eigenen Elektrizitätswerks diskutiert. Vor allem die Feuersicherheit im Nationaltheater sprach für eine Umstellung von der Gasbeleuchtung auf elektrisches Licht. Da man jedoch die Entwertung des stadteigenen Gaswerks befürchtete, wurde eine Entscheidung hinausgeschoben. Unter Zugzwang geriet der Stadtrat jedoch zunehmend, als verschiedene Mannheimer Industrieunternehmen und die Eisenbahnverwaltung mit dem Bau eigener Kraftzentralen begannen. So forderte die Kommune im September 1895 sieben namhafte Unternehmen zur Abgabe von Angeboten für den Aufbau einer Elektrizitätsversorgung auf. Auch in Mannheim stellte sich eine Beurteilung der eingehenden Angebote als höchst kompliziert heraus, da eine Überprüfung und ein Vergleich der Projektentwürfe fundiertes Fachwissen voraussetzte. Daher erarbeitete eine Sachverständigenkommission eine Empfehlung, die im Dezember 1897 vorgelegt wurde. Darin wurde der Bau eines Drehstromkraftwerks für Beleuchtung und elektrische Kraftantriebe sowie der Bau einer Umformerstation zur Erzeugung von Gleichstrom für den Betrieb einer elektrischen Straßenbahn favorisiert.

Äußerst geschickt knüpfte die Stadt die Vergabe der Aufträge für den Bau des Kraftwerks und des Kabelnetzes an Zusagen zur Ansiedlung von Industriebetrieben. Oberbürgermeister Otto Beck gelang es, die in Baden (Schweiz) ansässige Firma Brown, Boveri & Cie. (BBC), ein Pionierunternehmen des Elektromaschinenbaus und der Kraftwerksprojektierung, zur Gründung einer Produktionsstätte in Mannheim zu bewegen. Dafür erhielt BBC im Dezember 1898 den Auftrag, das Kraftwerk zu projektieren und die elektrische Ausrüstung zu liefern. Im Juni 1900 wurde das deutsche Tochterunternehmen der BBC in Mannheim gegründet. Auch für die Erteilung des Auftrags zur Einrichtung des Kabelübertragungsnetzes für eine Spannung von 4.000 V wurde der Bau einer Fabrikationseinrichtung in Mannheim zur Bedingung gemacht. Auf diese Weise gründete sich 1899 die Süddeutsche Kabelwerke AG

Das Elektrizitätswerk wurde im Mannheimer Industriehafen nördlich der Innenstadt errichtet. Die ursprüngliche Ausstattung bestand aus drei von der Gebr. Sulzer AG gelieferten Tandem-Dampfmaschinen mit Ventilsteuerung und Kondensation, die jeweils einen Drehstromgenerator von BBC mit 550 kW bis 700 kW Leistung antrieben. 1903 kam eine erste Dampfturbine hinzu. Mit der Aufstellung weiterer Dampfturbinen erhöhte sich die installierte Leistung bis 1921 auf 12,9 MW. Nachdem zunächst BBC die Betriebsführung des Elektrizitätswerks übernommen hatte, ging die Anlage 1906 vollständig in städtischen Besitz über. Dies war Anlass zu umfangreichen Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen. Die eingeschossige Maschinenhalle im neoromanischen Stil (Fotos 5 und 6, im Hintergrund erkennbar) wurde um ein dreigeschossiges, repräsentatives, mit Ecktürmen versehenes Bauwerk (Foto 1) ergänzt, das die Zufahrt zum Hafen aufwerten sollte. 1911 wurde diesem Gebäude ein monumental wirkender Vorbau aus bossiertem, rotem Sandstein vorgesetzt, der eine Art Sockelwirkung für das Gebäude entfaltet. In goldfarbenen Jugendstillettern schmückt das Gebäude seitdem der Schriftzug „Staedt. Elektrizitaetswerk Mannheim Industriehafen.“.

 Mit der Inbetriebnahme des neuen Großkraftwerks der Großkraftwerk Mannheim AG in Neckarau Anfang der 1920er Jahre wurde die Stromerzeugung im Kraftwerk Industriehafen stark heruntergefahren. Es diente längere Zeit noch zur Spitzen- und Reservestromerzeugung, bevor auch diese stillgelegt wurde und die Anlage nur noch als Schalt- und Umspannwerk diente.
 
Informationsstand: 02.11.2016
Schlagworte: Elektrizitätserzeugung; Steinkohlenkraftwerke; Stromerzeugung; Energie; Energy
Stichworte: Brown, Boveri & Cie.; BBC; Süddeutsche Kabelwerke AG; Gebr. Sulzer AG; Industriehafen; Tandem-Dampfmaschine; Drehstromgenerator; Dampfturbine; Neoromanik; Großkraftwerk Mannheim AG; Neckarau; Spitzenstromerzeugung; Reservestromerzeugung; Umformerstation; Straßenbahn

Quelle(n)

  • Andreas Schenk, Mannheim und seine Bauten 1907 - 2007. Band 4. Bauten für Verkehr, Industrie, Gesundheit und Sport, Mannheim 2004
  • www.rhein-neckar-industriekultur.de/objekte/elektrizitätswerk-mannheim-industriehafen

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