Blitzeinschläge und das Schalten großer Stromverbraucher erzeugen Überspannungen. Diese können zu Schäden an elektrischen Geräten führen, die am Strom- oder Telefonnetz angeschlossen werden. Zunehmend kommen empfindliche Steuer- und Kommunikationseinrichtungen zum Einsatz, die einen Überspannungsschutz erfordern.
Dieser Sachverhalt wurde in der Neufassung der Normen VDE 0100-443 und VDE 0100-534 im Oktober 2016 berücksichtigt. Seit dem 14.12.2018 müssen sie verbindlich für alle in Betrieb gehende Anlagen angewendet werden. In der Zwischenzeit konnten Anlagen noch "nach alter Norm" fertiggestellt werden.
Wesentliche Neuerungen
Überspannungs-Schutzeinrichtung (SPD)
Diese neue Bezeichnung wird einheitlich verwendet. Die Abkürzung SPD kommt aus dem Englischen von "Surge Protective Device" - Überspannung-Schutzeinrichtung.
Überspannung in Versorgungsleitungen
Überspannungen können nicht nur durch direkte oder nahe Blitzeinschläge entstehen, sondern auch bei Einschlägen in die Stromversorgungsleitung. Dabei ist es unerheblich, ob diese in der Luft (Freileitung) oder im Boden (Erdkabel) verlegt ist.
In VDE VDE 0100-443 werden neben den induzierten Überspannungen aus Blitzeinwirkungen jetzt auch explizit Überspannungen aufgrund direkter Blitzeinschläge in die Niederspannungsversorgung berücksichtigt.
Überspannungsschutz - Blitzschutz
VDE 0100-443 enthält keine Anforderungen zum Schutz bei Überspannungen bei direkten oder nahen Blitzeinschlägen. In diesen Fällen sind die Blitzschutznormen VDE 0185-305 zu berücksichtigen.
Notwendigkeit von Überspannungsschutz nach VDE 0100-443
Überspannungs-Schutzeinrichtungen müssen zur Reduzierung der Auswirkungen von Überspannungen installiert werden. So werden gefährliche Funkenbildung und daraus resultierende Brände vermieden. Dies gilt für elektrische Anlagen in
- Anlagen für Sicherheitszwecke zum Schutz des menschlichen Lebens, z. B. medizinische genutzte Bereiche
- Öffentliche Einrichtungen und Kulturbesitz, z. B. Ausfall von öffentlichen Diensten, Telekommunikationszentren, Museen
- Gewerbe- oder Industriegebäuden, z. B. Hotels, Banken, Industriebetriebe, Gewerbemärkte, landwirtschaftliche Betriebe
- Gebäuden mit Menschenansammlungen wie zum Beispiel Büros, Schulen, Kirchen
- Wohngebäuden und kleine Büros, wenn in diesen Gebäuden Betriebsmittel der Überspannungskategorie I oder II errichtet sind. (Es ist davon auszugehen, dass in derartigen Gebäuden grundsätzlich (!) Betriebsmittel der Überspannungskategorie I, also empfindliche elektronische Geräte, z. B. Computer, TV-Geräte, Videoüberwachung oder II - Haushaltsgeräte, Werkzeuge z. B. Waschmaschinen, Geschirrspüler, Kaffeeautomaten - angeschlossen und genutzt werden.
Deshalb sind in quasi allen Gebäuden Überspannungs-Schutzeinrichtungen in der Elektroinstallation zu verwenden. Bisher galt dies nur für bestimmte Anwendungsfälle wie medizinisch genutzte Bereiche, öffentlich genutzte Einrichtungen und Gewerbe- und Industriegebäude. In anderen Fällen musste eine Risikoanalyse erstellt werden.
Wie heißen die neuen Normen?
- DIN VDE 0100-443 (VDE 0100 Teil 443): 2016-10; Errichten von Niederspannungsanlagen Teil 4-44: Schutzmaßnahmen - Schutz bei Störspannungen und elektromagnetischen Störgrößen - Abschnitt 443: Schutz bei Überspannungen infolge atmosphärischer Einflüsse oder von Schaltvorgängen
- DIN VDE 0100-534 (VDE 0100 Teil 534): 2016-10; Errichten von Niederspannungsanlagen Auswahl und Errichtung elektrischer Betriebsmittel - Schaltgeräte und Steuergeräte - Überspannungs-Schutzeinrichtungen
Infotext VDE Verlag zu VDE 0100-443:2016-10
DIN VDE 0100-443 VDE 0100-443:2016-10 Errichten von Niederspannungsanlagen Teil 4-44: Schutzmaßnahmen – Schutz bei Störspannungen und elektromagnetischen Störgrößen – Abschnitt 443: Schutz bei transienten Überspannungen infolge atmosphärischer Einflüsse oder von Schaltvorgängen
(IEC 60364-4-44:2007/A1:2015, modifiziert); Deutsche Übernahme HD 60364-4-443:2016) Ausgabedatum: 2016-10
Dieser Teil behandelt den Schutz von elektrischen Anlagen bei transienten Überspannungen infolge atmosphärischer Einflüsse, die über das Stromversorgungsnetz übertragen werden, inklusive direkter Blitzeinschläge in die Versorgungsleitungen und transiente Überspannungen infolge von Schaltvorgängen.
Gegenüber DIN VDE 0100-443 (VDE 0100-443):2007-06 wurden Aufbau und Gliederung überarbeitet. Die Verweisungen und die Terminologie wurden angepasst. Es werden neue Vorgaben zur Beherrschung von Überspannungen durch Überspannungs-Schutzeinrichtungen (SPDs) gegeben.
Nachfolgend sind die wesentlichen Änderungen gegenüber der Vorgängernorm kurz erläutert:
- Um in den verschiedenen Normenwerken die Bezeichnungen zu vereinheitlichen, werden Überspannung-Schutzeinrichtungen (ÜSE) zukünftig mit dem aus dem Englischen von „Surge Protective Device“ abgeleiteten Akronym „SPD“ bezeichnet. Die vollständige Bezeichnung lautet „Überspannung-Schutzeinrichtung (SPD)“.
- Im Anwendungsbereich werden nun auch direkte Blitzeinschläge in die Versorgungsleitungen berücksichtigt. Der Schutz bei direkten Blitzeinschlägen in die Versorgungsleitung bedingt den Einbau von Überspannung-Schutzeinrichtungen (SPDs) Typ 1.
- Bauliche Anlagen mit Explosionsrisiko, wie petrochemische Anlagen und Chemieanlagen fallen nicht in den Anwendungsbereich der DIN VDE 0100-443 (VDE 0100-443)
- Aufnahme eines neuen Abschnitts Begriffe
- Das Prinzip der systemeigenen Beherrschung von Überspannungen bei Anlagen, die von einem vollständig in Erde verlegten Niederspannungsnetz versorgt werden, wurde ersatzlos gestrichen.
- Die Entscheidungskriterien, wann Überspannung-Schutzeinrichtungen (SPDs) in einer Anlage installiert werden müssen, wurden überarbeitet und erweitert.
- Eine neue vereinfachte Risikoanalyse nach DIN EN 62305-2 (VDE 0185-305-2) ist aufgenommen worden. Als Entscheidungskriterium für die Installation von Überspannung-Schutzeinrichtungen (SPDs) wurde der errechnete Risikolevel (CRL) neu eingeführt. Dieses Verfahren wird in Deutschland nicht angewendet.
- Übersicht für die geforderten Bemessungs-Stoßspannungen von Betriebsmitteln für die Überspannungskategorien I bis IV wurde um DC-Systeme bis 1500V erweitert.
(21.02.2019)