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VDE
24.09.2024

VDE Sommerempfang in Brüssel

Bestandteil des European Future Technology Summit - EFTS 2024. Wir. Netzwerk. Europa. Jung - Technologisch - Grenzüberschreitend.

Europa muss auf die Zukunft setzen. Die Zukunft setzt auf junge Menschen und angehende Ingenieure in den Bereichen Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik. Junge Menschen, die heute unter 35 Jahre alt sind, werden eine herausragende Schlüsselrolle bei der Gestaltung der Zukunft Europas spielen müssen. Wir alle sind zum Erfolg verdammt, weil Europa sonst im technologischen Kräftemessen mit Amerika und China den Kürzeren ziehen wird.

Deshalb sieht EUREL als europäischer Dachverband der Ingenieure der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik zusammen mit seinen Mitgliedern unter Federführung des VDE aus Deutschland einen seiner Schwerpunkte im Aufbau grenzüberschreitender Netzwerke von Studierenden, Berufseinsteigern, Forschung, Industrie, Politik und Lehre. Wir brechen Grenzen auf, wo sie noch vorhanden sind, und eröffnen Handlungsoptionen. Nur gemeinsam schaffen wir einen Rahmen für Wohlstand, Stabilität und Frieden in Europa. Niemand treibt Themen wie Künstliche Intelligenz (KI), Energiewende und Cybersicherheit so konkret voran wie die Ingenieure aus den Bereichen Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik.

Nach dem Schwerpunkt „Künstliche Intelligenz“ beim letztjährigen EFTS 2023 haben sich der VDE und EUREL beim European Future Technology Summit (EFTS) 2024 dem topaktuellen Thema „Strengthening Resilience of European Power and Communication Networks“ gewidmet. Auslöser für die Themenwahl ist der terroristische Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine mit seinen negativen Auswirkungen auf Europa und die Welt.

Stromversorgungs- und Kommunikationstechnologien sind zunehmend voneinander abhängig - man denke nur an intelligente Zähler und intelligente Netze. Digitale Lösungen sind auf stabile Kommunikationsverbindungen angewiesen - und diese wiederum auf eine stabile Stromversorgung. In Zeiten angespannter Sicherheitslagen und Kriege, Cyber-Bedrohungen und extremer Wetterereignisse bergen gerade diese Abhängigkeiten ganz neue Risiken.

Mit dem 2. European Future Technology Summit (EFTS) in Brüssel haben der VDE und EUREL genau diese Themen in den Mittelpunkt eines dreitägigen Workshops gestellt. 50 Studierende und junge Berufstätige aus den EUREL-Mitgliedsländern trafen sich im Herzen der europäischen Politik, um in den Räumen der Europäischen Normungsorganisation CEN CENELEC mit Experten aus Wissenschaft, Forschung und Politik zentrale Fragestellungen zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit der europäischen Strom- und Kommunikationsnetze zu diskutieren. Es war zudem eine besondere Ehre, dass zwei Expertinnen aus der Ukraine über die täglichen Herausforderungen der dortigen Ingenieure hinsichtlich der russischen Raketenangriffe auf die Infrastruktur sowie die seit 2008 stattfindenden Cyberangriffe Russlands in Richtung Ukraine berichtet haben.

Lets get it started

Vor dem Beginn der Workshop-Phase am Dienstag und Mittwoch war das Ziel am Montag, die Stadt Brüssel und das Europäische Parlament kennenzulernen. Nach einem umfassenden Exkurs in die Geschichte und Stadtgeographie Brüssels stand ein Besuch im Europäischen Parlament und ein Austausch mit der Europaabgeordneten Prof. Dr. Andrea Wechsler (Gruppe der Europäischen Volkspartei - CDU) auf der Tagesordnung. MEP Wechsler stand der 50-köpfigen Gruppe junger und angehender Ingenieure knapp zwei Stunden Rede und Antwort. Als Mitglied im Committee on Industry, Research and Energy ist Frau Wechsler eine Top-Ansprechpartnerin. Die offenen Einblicke, die Frau Wechsler den jungen Ingenieurinnen und Ingenieuren gegeben hat, waren sehr spannend und sehr authentisch – fern ab vom typischen „Politikersprech“. Durch ihre sehr mitreißende Art hat Andrea Wechsler den jungen Wählern eindrucksvoll die Bedeutung der politischen Arbeit in Brüssel verdeutlicht und den Wert internationaler Zusammenarbeit unterstrichen. Sie hat definitiv einen bleibenden Eindruck bei der Gruppe hinterlassen und viele Anwesende im beruflichen, persönlichen und sogar politischen Engagement bestärkt. Der Austausch war zugleich ein Ansporn, die europäische Zusammenarbeit in den technischen und ingenieurwissenschaftlichen Bereichen weiter voranzutreiben. Genau das ist auch ein Bestandteil der DNA von EUREL und des VDE – der größten Technologieorganisation in der EU. Mit der EFTS 2024-Gruppe begrüßte die neu in das Europaparlament gewählte Abgeordnete Wechsler ihre erste offizielle Besuchergruppe im Europaparlament – das bleibt auf allen Seiten in Erinnerung.

Workshops - Tag 1

Alexander Nollau, Head of Energy, VDE Standardisation Organisation DKE, ging in seinem Eröffnungsworkshop der Frage nach: What do we need for a secure and future-proof Electricity Grid? Nach einem kurzen Exkurs in die über 130-jährige Geschichte des VDE und die Strukturen der Europäischen Normung wurden die Relevanz der erneuerbaren Energien als Bestandteil resilienter Netze in der heutigen Welt und die Herausforderungen sowie erwarteten zukünftigen Entwicklungen skizziert. Alexander Nollau gab Antworten auf die Frage, welche Komponenten für zukunftssichere Netze wesentlich sind, und skizzierte die Vision der Most Electric Society und beschrieb Wege zu einer Netto-Null-Zukunft. Es schloss mit dem Fazit: Für ein sicheres und zukunftsfähiges Stromnetz sind digitale, flexible, und widerstandsfähige Lösungen, unterstützt durch geeignete Regulierungsrahmen und technologische Innovationen wesentlich. Zudem sei es von entscheidender Bedeutung, dass alle Beteiligten - von Regulierungsbehörden, Anbietern und Verbraucher - sich aktiv an der Gestaltung der Netze der Zukunft beteiligen.

Sebastian Hallensleben, Head of Artificial Intelligence & Digital Trust Department VDE, Chairman of Committee AI and Digital Trust EUREL, Chair of StandICT External Advisory Group and Technical Working Group in Trusted Information EU Commission, Chair Joint Technical Committee 21 “Artificial Intelligence” CEN and CENELEC, AI Expert for UNESCO and OECD beleuchtete anschließend mit seinem Vortrag The emerging AI standardization ecosystem in Europe die digitale und Künstlich Intelligente Komponente mit einem Schwerpunkt auf aktuell laufende und geplante Normungsaktivitäten in Europa sowie die Überlegungen, wie ein europäisches KI-Ökosystem nach dem AI Act vervollständigt werden kann.

Elena Santiago Sid, Generaldirektorin der europäischen Normungsorganisationen CEN und CENELEC, nahm die Teilnehmer des EFTS mit auf eine Reise in die Welt der Normung und deren Einfluss auf die Stärkung der Resilienz: How can European Standards strengthen the Resilience of European Power Networks and Grids? Bei der Normengebung im Bereich Energie sieht sie (geo-)politische Herausforderungen im Spannungsfeld zwischen Europas geopolitischen Ambitionen und vielen politischen Ziele. Normung muss nach Ihren Vorstellungen dienen, um die Verbesserung der Energie- und Versorgungssicherheit sowie die Einhaltung der Klimaziele zu erreichen. Ferner bedarf es massiver Investitionen in saubere effiziente Energie, wobei erneuerbare Energien vollständig in ein resilientes Netz integriert werden müssen. Das alles mit der Zielsetzung die Widerstandsfähigkeit Europas in Sachen Energie zu erhöhen. Für all das seien die zügige Entwicklung von Normen und die schnelle Einführung neuer Technologien und vor allem die Einführung intelligenter Netze unerlässlich.

Jacek Nowicki, Expert – Electrical Power Systems, Nuclear Safety and Security Department, National Atomic Energy Agency, Poland, Former EUREL President and former Secretary General of Association of Polish Electricians (SEP), führte in seinem Vortrag Nuclear Power and Energy Storage: Pillars for European Energy Resilience aus, inwiefern Kernenergie und Stromspeicher einen Beitrag zur Resilienz Europas leisten können. Sein Eingangsstatement lautet, dass die Welt leider nicht perfekt sei – gemeint waren damit die zu hohen CO2-Emmissionen. Mit vielen Zahlenbeispielen skizzierte er die weltweite Energieproduktion und die Entwicklungen in Europa. Sehr einprägsam war das Bild der Enten-Kurve. Die Enten-Kurve bezieht sich auf eine grafische Darstellung der Stromnachfrage aus dem Netz an Tagen, an denen die Solarenergieproduktion hoch und die Nachfrage im Netz niedrig ist. Aufgetragen in einem Diagramm bilden die Linien und Kurven eine deutlich entenartige Form. Schließlich wurden die Potentiale der verschiedenen Energiespeicher-Technologien und die Entscheidung des Europaparlamentes aus November 2023 in Sachen Kernenergie beleuchtet. Nach dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine erkannten die Europäer, dass die Frage des Zugangs zu Energieressourcen aus Russland, insbesondere Erdgas, über Nacht zum Gegenstand politischer politischen und wirtschaftlichen Spielchen werden könnte. Die russische Aggression führte schließlich zum Sinneswandel des Europäischen Parlaments die Kernenergie in die Gruppe der „grünen Technologien“ aufzunehmen.

Michael Bäcker, Member Board of Directors des Interessenverbandes für Supraleitung ivSupra, nutze die Bühne zur Darstellung der Potenziale des Stromtransportes mittels Supraleitung: Superconductivity – Key Technology for the Energy Transition. Nach seinen Worten verändere ein Supraleiter die Paradigmen in der Energietechnik. Was folgte war ein technologischer Deep-Dive in die Supraleiter-Technologie gepaart mit konkreten Zahlen, Anwendungsbereichen und bereits bestehenden Testszenarien.

Frank Borchardt, Senior Project Manager at Forum Network Technology/Network Operation VDE, stellte in seinem Vortrag Cross-Border Grid Connections: Ensuring a Stable Trans-European Network die Herausforderungen des grenzübergreifenden Stromtransportes dar. Die Frage, warum die Resilienz der europäischen Strom- und Kommunikationsnetze dringend notwendig sei, beantwortet er wie folgt: Ein zusammenhängendes System - von der Algarve in Polen bis zum Donbass in der Ukraine: 26 zusammengeschaltete Nationen, 31 Übertragungsnetzbetreiber, 350.000 km Übertragungsleitungen (Spannung ≥110 kV), 495 Millionen versorgte Menschen. Wichtig sei es, die Bedrohungsszenarien für kritische Infrastrukturen realistisch einzuordnen – die Dimension habe sich nach dem russischen Angriff auf die Werte Europas dramatisch verändert. Vor allen im Bereich Cyber-War seien signifikante Anstiege zu verzeichnen. Seine Take Away Facts waren: a) Ein widerstandsfähiges Energiesystem erfordert ständige Anstrengungen. Die Digitalisierung ist nicht nur für die „guten Jungs“ ein entscheidender Faktor. b) Der Aufbau einer einheitlichen Infrastruktur für intelligente Messsysteme und intelligente Netze erfordert ein sicheres Ökosystem, das auf Standards setzt, die weit über NIS 2, CER usw. hinausgehen. c) Das tägliche Geschäft mit der Cybersicherheit beginnt mit dem Verständnis wo ein Angriff wahrscheinlich stattfindet und wie er beginnt. Auch Firewalls bieten keinen 100 %-Schutz.

VDE-Sommerempfang Brüssel 2024 - Gesellschaftlicher Höhepunkt des European Future Technology Summit 2024

Eingebettet in den VDE/EUREL European Future Technology Summit – EFTS fand der traditionelle VDE-Sommerempfang Brüssel statt. Markus B. Jaeger, VDE Global Head of Political Affairs, eröffnete als Gastgeber den VDE Sommerempfang vor über 150 internationalen Gästen in der Veranstaltungslocation TownHall Europe in der Nähe des Europäischen Parlaments. Das Thema des Abends war auf den EFTS abgestimmt: Unsichere Zeiten: Zwischen Krieg und Frieden - Wie sollte ein resilienter europäischer Energiesektor aussehen?

In seinen Eröffnungsworten betonte Jaeger, dass Stromversorgungs- und Kommunikationstechnologien zunehmend voneinander abhängig seien. Digitale Lösungen seien auf stabile Kommunikationsverbindungen angewiesen - und diese wiederum auf eine stabile Stromversorgung. In Zeiten angespannter Sicherheitslagen und Kriege, wie der russische Angriff auf die Freiheit Europas, Cyber-Bedrohungen und extremer Wetterereignisse bergen gerade diese Abhängigkeiten ganz neue Reihe von Risiken. Es sei von entscheidender Bedeutung, den Rahmen für die Stärkung der Widerstandsfähigkeit der europäischen Strom- und Kommunikationsnetze zum Nutzen und zur Sicherheit aller Menschen in Europa zu schaffen.

Wolfgang Niedziella, Managing Director within VDE Group and President CENELEC, übernahm schließlich die offizielle Begrüßung der Gäste von Seiten des VDE. Auf einer kleinen Zeitreise skizzierte er die Gründungsmotivation des VDE vor über 130 Jahren durch Werner von Siemens und spannte den zeitlichen Bogen zwischen der Technologie Elektrizität vor 130 Jahren und der Technologie Künstlich Intelligenz im Jahr 2024. Beide Technologien stellten Meilensteine in der technologischen Menschheitsgeschichte dar. Wie die Elektrizität müsse auch KI in den Dienst der Menschen gestellt werden und sicher in der Anwendung sein. Diese Sicherheit könnte mit der etablierten Standardisierung geboten werden, woran der VDE mit Hochdruck arbeite.

Den Stichworten „angespannte Sicherheitslagen und Kriege“ folgend übergab Markus B. Jaeger die Bühne an Galyna Petrushka, Communication Director von Lvivoblenergo, Lviv/Ukraine und Lyudmyla Polova, IT Director von Lvivoblenergo, Lviv/Ukraine. Die beiden Expertinnen aus der Ukraine skizzierten die Herausforderungen, denen sich die Energieversorger in der Ukraine wegen der russischen Luftangriffe auf die Infrastruktur täglich stellen müssen und wie die Cyberwar-Aktivitäten Russlands in den letzten zehn Jahren kontinuierlich zugenommen haben. Herausforderungen, die in dieser extremen Intensität in Europa seit mehr als 75 Jahren nicht mehr gemeistert werden mussten. Beide Expertinnen aus der Ukraine waren sich jedoch sicher, dass „am Ende das Licht über das Dunkel siegen werde“.

Nach diesem Sachstandbericht aus erster Hand leitete der Gastgeber des Abends in die inhaltliche Debatte des Abends ein. Markus B. Jaeger: „Europa kann aus diesen Erfahrungen eine Menge für die Zukunft lernen. Was müssen wir aus dem russischen Angriff auf unsere gemeinsame Freiheit lernen? Wie können wir unsere Energieversorgung und den Energietransport in ganz Europa widerstandsfähig gestalten? Eine Lösung besteht darin, die Vielfalt der Energieerzeugung zu maximieren. Erneuerbare Energien spielen dabei eine wichtige Rolle. Bei den vielen Akteuren im Stromnetz müssen wir auch auf digitale Komponenten setzen. Diese beiden Komponenten - Energie und digitale Werkzeuge - müssen sicher miteinander verbunden werden. Wenn wir also feststellen, dass moderne Stromnetze zunehmend eine digitale Komponente benötigen und in einigen Fällen in Zukunft auch KI zum Einsatz kommen muss – öffnen wir damit nicht ein neues sicherheitsrelevantes Einfallstor für Sabotage. Öffnen wir mit einer zusätzlichen digitalen Komponente die Büchse der Pandora?“

Diese Fragestellung diskutierten nun Sebastian Hallensleben, Head of Artificial Intelligence & Digital Trust Department VDE, Chairman of Committee AI and Digital Trust EUREL, Chair of StandICT External Advisory Group and Technical Working Group in Trusted Information EU Commission, Chair Joint Technical Committee 21 “Artificial Intelligence” CEN and CENELEC, AI Expert for UNESCO and OECD und Alexander Nollau, Head of Energy, VDE Standardisation Organisation DKE unter Einbeziehung der Gäste.

Beide waren sich einig, dass - vor allem nach den beiden Keynotes der ukrainischen Kolleginnen – Resilienz ein sehr großes Thema sei. „Europa ist sehr verwundbar, insbesondere bei der Energie- und Kommunikationsinfrastruktur.“ Der russische Angriff auf die Ukraine habe eine andere Lektion gelehrt: Europa musste sich fast über Nacht vom russischen Gas entwöhnen. Es wurden relativ schnell andere Optionen gefunden. Ohne Probleme, ohne dramatische Auswirkungen auf die Verbraucher oder die Industrie. Die Entscheidung, kein russisches Gas mehr zu verwenden, war eine politisch-moralische, keine technische Entscheidung. Die Entscheidung wurde durch die Zerstörung von Northstream unumkehrbar gemacht. „Europa hat also bereits eine Menge Widerstandskraft. Die Energiewende wurde schon 2011 eingeleitet, aber Gas wurde noch als Brückentechnologie benötigt. Neben der Resilienz müsse man zunehmend auch die technologische und wirtschaftliche Abhängigkeit von China thematisieren. „Wir müssen uns in Europa auf Souveränität und auf Resilienz konzentrieren.“ Ein großes Aber wurde angesprochen: Was ist mit vorsätzlicher Sabotage – auch durch unfreundliche Staaten? Ist Europa dagegen wirklich gewappnet? Zur Erinnerung: Trinkwassermanipulation in Militäreinrichtungen. Sabotage des gesamten französischen Hochgeschwindigkeitsbahnnetzes mit nur vier kleineren Brandanschlägen am Eröffnungstag der Olympischen Spiele. Ist Europa schon viel zu lange naiv? Gefordert wurde mehr militärisches Denken, mehr „in Szenarien denken“. Müssen wir in Europa unsere grundsätzliche Offenheit in Frage stellen? „Generell sind offene Daten von Vorteil, aber Daten über die Strom-, Kommunikations- und Wasserinfrastruktur sollten gefiltert werden und nicht für jeden zugänglich sein“, so eine Forderung in der Diskussion. Im Jahr 2022 gab es beispielsweise keine physischen Aktionen wie beispielsweise bei den jüngsten Anschlägen auf die Bahn in Frankreich, aber es gab viele ausländische Aktionen im Informationsbereich. „Wir befinden uns mitten im Zeitalter der KI-gesteuerten Desinformation. Wir sind darauf erschreckend unvorbereitet.“ Die anschließend diskutierte Fragestellung war, die diese ganzen Widrigkeiten verhindert und im Fall des Schadenseintritts behoben werden können. Eine der Thesen lautete, dass es bei der Energiewende nicht mehr nur um die Rettung des Planeten gehe, sondern auch um die nationale Sicherheit – eine bislang noch nicht so drastisch formulierte These. Fakt ist: Die dezentrale Energieerzeugung mit erneuerbaren Energien ist von Natur aus widerstandsfähiger als große zentrale Kraftwerke, die leicht Opfer von Raketenbeschuss und Sabotage werden können. Diese Annahme basiert allerdings auf dem Grundprinzip der Vernetzung erneuerbarer Energien. In der Praxis seien Stand heute nicht viele EE-Systeme in der Lage, im Inselbetrieb zu arbeiten, da die Energiespeicher noch fehlen. Durch den zunehmenden Einsatz von Heimbatteriespeichern werde es besser. Frage: Aber haben wir auch die entsprechende militärische Einstellung? Wissen wir, wann wir unsere besondere Liebe zu Prozessen, Sicherheits- und Umweltvorschriften beenden müssen? „Dieses Denken und Handeln mit doppelter und dreifacher Absicherung ist in Friedenszeiten sicherlich sinnvoll, in Krisenzeiten muss aber eine Neu-Priorisierung erfolgen. Was ist, wenn Teile der EU ohne Strom sind, brauchen wir eine europäische strategische Reserve für die Versorgung mit erneuerbaren Energien? Gebunkerte Paneele und Wechselrichter statt Öl und Gas?

Ist auch Wasserstoff für eine solche strategische Reserve tauglich – er wäre immerhin auch ein Speichermedium für Energie? Bietet er als in Europa produzierter Energieträger eine Chance für die Unabhängigkeit? Fakt ist, dass wir in ganz Europa Elektrolyseure und Brennstoffzellen in großen Mengen und auf jeder Ebene der Granularität benötigen, um die Dunkel- und Windflaute zu überbrücken. Hier müssen die europäische und jeweils nationale Politik koordinierte und strategische Entscheidungen treffen: kaufen oder herstellen.

Zurück zum eingangs moderierten Bild von der Büchse der Pandora: Wie ist es um die Cyber-Resilienz in der Europäischen Union, in den Mitgliedstaaten, den Unternehmen und Privathaushalten Europas bestellt? Hier hat die Europäische Union mit dem Cyber Resilience Act einen tatsächlich weltweit führenden Ansatz geschaffen. Es gibt ein klares Bild der Datenströme auch aus der Perspektive der Souveränität, z.B. Data Act.

Wenn wir nun also ein Gesamtbild von Energie und Kommunikation in einer Symbiose zeichnen, bei dem die Energieübertragung über die Grenzen der EU hinweg erfolgen soll, muss eine strategische Planung für ein gesamteuropäisches Netz gewährleistet sein. Die Energiegewinnung in Europa ist divers: Reichlich Wind und Sonne in Südeuropa, reichlich Wasserenergie in Skandinavien. Resilienz ist auf allen Ebenen zu berücksichtigen – vor allem in einem immer stärker digitalisierten Netz: Was sind die neuen Bedrohungen? Machen wir uns nicht noch anfälliger? Was ist das Pendant zur Huawei-Diskussion für die Strominfrastruktur? Was müssen wir in Europa tun? Es gibt keine Alternative zur Digitalisierung der Netze. Wir müssen zudem die Straßen aufreißen, um neue Kabel zu verlegen. Aktuell ist es noch nicht erkennbar, dass dies auch in den einzelnen Privathaushalten realisiert wird. Bei Letzteren wären intelligente Zähler die wesentliche Voraussetzung für die Digitalisierung der Netze, um Verbrauchs-/Nachfrageprofile vorherzusagen. In Sachen Smart Meter haben wir in Europa noch zu viele nationale Unterschiede. z. B. ist Italien bei der Fähigkeit und Einführung intelligenter Zähler weiter als Deutschland. Was wir am Ende dringend benötigen, ist eine europäische Vision für unsere gemeinsame Energie- und Kommunikationsinfrastruktur – auch aus einem militärisch-strategischem Blickwinkel. Die Zeit der Nachkriegs-Friedensromantik, befeuert durch den Fall des Eisernen Vorhangs und die zwischenzeitliche Annäherung ist seit Februar 2022 beendet. Hilfsmittel und Schlüssel für diesen strategischen Weg Europas hin zu einer resilienten und souveränen Energie- und Kommunikationsinfrastruktur sind Normung und Zertifizierung. Schlüssel ist aber auch eine ausreichende Anzahl von Elektroingenieuren. Wir müssen mehr davon in Europa ausbilden. Uns gehen langsam und stetig die Köpfe und Hände aus, die die technologischen Herausforderungen anpacken. Wir brauchen Experten in ganz Europa. Wir brauchen einen starken New Green Deal in Europa: Umweltschutz, Wirtschaft, Sicherheit und Ausbildung.

Award Zeremonie EUREL International Management Cup (IMC) 2024 und EUREL PhD Best Paper Award

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Lia Gruber, István Taczi @Zacarias Garcia

Bevor der kulinarische und gesellschaftliche Teil des VDE-Sommerempfangs begann, zeichnete Fabienne Dezutter, EUREL-Generalsekretärin, die Siegerteams des EUREL International Management Cup (IMC) 2024 aus Rumänien (2. Platz und 3. Platz). Das Siegerteam aus Deutschland konnte nicht an der Zeremonie in Brüssel teilnehmen. Zudem wurde das Siegerteam der erstmalig durchgeführten IMC Champions League – einem Wettbewerb der bisherigen IMC-Preisträger gekürt – es kommt aus Schweden.

Ebenfalls erstmalig wurde der EUREL PhD Best Paper Award vergeben. Einer der Juroren Prof. Dr. Andreas Ulbig von der RWTH Aachen hat es sich nicht nehmen lassen, die Verleihung in Brüssel persönlich zu übernehmen. Der erste Platz ging an Lia Gruber aus Österreich, den 2. Platz sicherte sich István Táczi aus Ungarn und Platz 3 ging an Stefan Baumgartner aus Österreich.

Workshops – Tag 2

Galyna Petrushka, Communication Director von Lvivoblenergo, Lviv/Ukraine startete nach ihrer Keynote beim VDE Sommerempfang am Vorabend den 2. Workshoptag des EFTS 2024. Mit ihrem Vortrag The information policy of the energy company during the war - How can Ukraine enhance Resilience and Protection in Energy Production and Supply? gab sie einen Lagebericht aus erster Hand. Sie beschrieb den klassischen Weg, den Strom in Friedenszeiten von der Produktionsstätte hin zum Verbraucher zu transportieren und wie dieser traditionelle Weg durch russische Raketen- und Drohnenangriffe systematisch zerstört wird. Neben dem Erhalt und Wiederaufbau der Stromversorgung sei auch die Kommunikation mit den vielen Millionen betroffenen Menschen in der Ukraine eine sehr große Herausforderung. Zusätzlich werde die seriöse Kommunikation der ukrainischen Energieversorger massiv durch russische Desinformationskampagnen und Hackerangriffe erschwert. Das Ziel der Russen sei klar: Die Zivilbevölkerung neben dem Raketen-, Bomben- und Kamikazedrohnenangriffen zusätzlich mürbe zu machen. Aber die Menschen in der Ukraine stehen zusammen und kämpfen in allen Bereichen für ihre Freiheit. Dieser Wille sei faszinierend. Nur wenige könnten sich vorstellen, was es bedeute, dauerhaft 14 Stunden am Tag keinen Strom zu haben. Was es z.B. bei 40 Grad im Sommer bedeute, keinen dauerhaft laufenden Kühlschrank zu haben. Das verändere eine Gesellschaft. Aber wer es schafft, sich anzupassen, der überlebe. Das Licht siege immer über das Dunkel.

Lyudmyla Polova, IT Director von Lvivoblenergo, Lviv/Ukraine widmete sich in ihrem Vortrag Strategic Cyber Attack: How Russia prepared for the War with Ukraine Years in advance - Practical experience in cybersecurity of critical infrastructure during wartime den Cyberwar-Aktivitäten Russlands. Es ist seit 2007 dokumentiert, dass russischen Cyberangriffe sehr eng mit politischen Entwicklungen verknüpft seien: 2007 – Eskalation der russisch-estnischen Beziehungen, 2008 - Ein Cyberangriff auf Georgien während des russisch-georgischen Krieges führte zum erfolgreichen Hacking von 54 georgischen Militär-, Regierungs- und Finanzwebseiten. 2013-2014 - Angriffe auf die Informationssysteme von Privatunternehmen und staatlichen Einrichtungen in der Ukraine, zusammen mit dem massiven Einsatz von Netbots, um das Informationsfeld zu verwirren, die Menschen in die Irre zu führen und Gerüchte zu verbreiten, während der prowestlichen Revolution und der bewaffneten russischen Invasion auf der Krim und in der Ostukraine. 2017 – ein groß angelegter Hackerangriff, bei dem eine Variante des Petya-Virus zum Einsatz kam, störte den Betrieb von ukrainischen Staatsunternehmen, Institutionen, Banken, Medien und Industrieunternehmen. In der Gegenwart sind die täglichen Cyber-Angriffe auf einem extrem hohen Niveau. Sie zielten darauf ab, die Gesellschaft zu destabilisieren und Desinformation zu verbreiten. Der zweite Schwerpunktbereich seien Versuche, kritische Infrastrukturen zu beschädigen. Die Angriffe werden in mehreren Phasen durchgeführt, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken. Es werden ständig Versuche unternommen, über verschiedene Vektoren einzudringen. Primäre Infektionsmodule haben eine digitale Signatur und enthalten keinen bösartigen Code der von Antivirenprogrammen erkannt werden kann. Kontoübernahmen und Privilegienerweiterungen werden durchgeführt. Die Infektionsdateien werden verdeckt innerhalb der angegriffenen Infrastruktur verbreitet. Hacker bauen sichere Kommunikationskanäle zu ihren Command and Control (C&C)-Servern. Die aktive Phase des Angriffs erfolgt ohne Verwendung von Dateien und Speicherung von Daten. Als Schwachstellen in der Cybersicherheit, die zu erfolgreichen Hackerangriffen führen: Unzureichend geschützte Infrastrukturen: nicht segmentierte Netzwerkinfrastruktur (schlecht gesicherte Kommunikationskanäle und Datenzugänge, verzögerte Updates von Betriebssystemen und Software); veraltete Sicherheitsansätze (kein systematischer Ansatz zum Aufbau von Cybersicherheit, fehlende Systeme zur Erkennung von Eindringlingen, keine Werkzeuge zur Reaktion auf Cyber-Vorfälle, kein Verfahren zur Reaktion auf Angriffe, kein Wiederherstellungsplan nach einem Angriff); Dezentraler Ansatz für die Cybersicherheit (keine zentrale Überwachung und Verwaltung der Cybersicherheit, fehlende Durchsetzung von Sicherheitsrichtlinien, keine Akkreditierungsverfahren für Partner, kein Gesamtplan für die Infrastruktur und keine vollständigen Informationen über die Anlagen); Personalprobleme (mangelndes Verständnis für Cybersicherheitsfragen, nicht genügend qualifizierte Spezialisten).

Agustín Díaz-Pinés, Deputy Head of Unit of the Future Connectivity Systems Unit in DG CNECT gab mit seinem Vortrag Key Areas for Resilience and Critical Infrastructure Protection: the case of Submarine Cable Infrastructure einen Überblick, welche Aktivbitäten die EU-Kommission gemeinsam mit der NATO unternehme, um die Kritische Infrastruktur Europas zu schützen. Zum Einstieg präsentierte er den Status Quo anhand diverser Zahlen hinsichtlich der komplementären Rolle von terrestrischen, satellitengestützten und Unterseekonnektivität: Über 99 % des interkontinentalen Datenverkehrs wird über Unterseekabel abgewickelt; mehr als 60 % des internationalen Datenverkehrs wird über Unterseekabel abgewickelt, die von privaten Unternehmen betrieben werden; seit 2012 investieren große Nicht-EU-Anbieter in eigene Infrastrukturen, was zu strategischen Abhängigkeiten führe; die NATO-Koordinierungszelle für kritische Unterwasserinfrastrukturen soll sich mit der Sicherheit von Unterseekabeln und der Bedeutung von Unterseekabelinfrastrukturen befassen. Die EU sei seit 2021 sehr aktiv, um Sicherheitsaspekte in Sachen Kritischer Infrastruktur zu stärken.

Dr. Stefan Küppers, Chief Technology Officer, Westenergie AG, Vice-Chairman ETG VDE, ist einer der Autoren des VDE Papiers Mehr Resilienz für die Strom- und Kommunikationsnetze in Deutschland – wie gehen wir mit den zunehmenden gegenseitigen Abhängigkeiten um? In seinem Vortrag Improving the Resilience of Power and Telecommunication Networks in Germany widmete er sich am Beispiel Deutschlands den Strategien zur Wiederherstellung beschädigter Netze und dem Training des damit betrauten Fachpersonals. Sein Fazit, wie wir unsere Systeme resilient halten können: Wir müssen Transparenz schaffen, der Bestand muss überwacht und klassifiziert werden, es müssen Planungen für Krisenszenarien vorhanden sein, Personal und Endverbraucher müssen geschult sein.

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