VDE: Herr Lutz, Sie sind aktuell Managing Director für Polestar in Deutschland. Daher unsere Einstiegsfrage: Was fahren Sie denn privat für ein Auto?
Alexander Lutz: Einen Polestar 2 mit Performance Paket und Power Upgrade.
VDE: Herr Lutz, Sie sind aktuell Managing Director für Polestar in Deutschland. Daher unsere Einstiegsfrage: Was fahren Sie denn privat für ein Auto?
Alexander Lutz: Einen Polestar 2 mit Performance Paket und Power Upgrade.
VDE: In Ihrer Karriere waren Sie vorher auch u.a. bei Audi und Maserati tätig – Automobilkonzerne, die eher der klassischen Verbrenner-Welt zugehörig sind– was hat Sie an Polestar besonders gereizt?
Alexander Lutz: Im Mittelpunkt stand meine persönliche Motivation, etwas zu verändern. Erstmals bin ich mit Polestar 2018 auf dem internationalen Automobil-Salon in Genf in Berührung gekommen. Ich fand schon damals, dass der Polestar 1 eines der schönsten Autos der Welt ist. Die Marke war mir dagegen als Hersteller noch unbekannt. Ich lernte dann die ersten Menschen von Polestar kennen und erfuhr mehr über die großen Visionen des Unternehmens: Nachhaltigkeit kombiniert mit Performance sowie Direct-to-Consumer-Geschäft über Online-Verkauf. Diese Kombination in Verbindung mit einem CEO wie Thomas Ingenlath waren für mich die wesentlichen Beweggründe zu Polestar zu gehen.
VDE: Können Sie uns mehr über Polestar erzählen? Einerseits handelt es sich um ein Joint Venture von Geely und Volvo. Zugleich ist es ist ein interner Fahrzeugtuner. Worin unterscheidet sich Polestar konkret von Volvos E-Mobilitätsfahrzeugen?
Alexander Lutz: Polestar setzt sich durch eine klare Mission von Volvo ab. Ich kenne keine Firma im automobilen Bereich, die sich so klar auf Nachhaltigkeit fokussiert – ohne dabei den Fahrspaß zu vernachlässigen. Wir haben uns Ziele gesetzt, die in der Industrie einzigartig sind. Hierzu ein paar Stichpunkte: Wir setzen 100 Prozent auf Online-Vertrieb. Das ist unser Startpunkt. Andere Hersteller müssen das erst mal hinbekommen. Wir verkaufen 100 Prozent Elektrofahrzeuge. Wir streben nach 100 Prozent Nachhaltigkeit. An dieser Vision wird sich auch nichts ändern. Unser „Polestar 0 Project“ – also bis 2030 ein komplett emissionsfreies Auto ohne „Offsetting“[Offsetting bedeutet Ausgleich von Co2-Emission durch Klimaprojekte] auf die Straße zu bringen – ist ein Moonshot-Ziel. Hierdurch setzt sich Polestar deutlich von anderen Wettbewerbern ab. Vielleicht noch ein weiterer Punkt, der für uns in der Firma sehr wichtig ist: Transparenz. Die Ehrlichkeit gegenüber uns selbst, aber auch der Öffentlichkeit. Dieser Grundsatz zahlt wieder auf die Nachhaltigkeit ein.
VDE: Bei meinem letzten Besuch in einem Volvo-Autohaus sagten mir die zuständigen Kollegen, dass der Volvo XC 90, ein reines Elektroauto, über den Direktvertrieb verkauft wird. Wie passt das zu der Marke Polestar? Gibt es da nicht eine Kannibalisierung innerhalb des Konzernverbunds?
Alexander Lutz: In einem kleinen Bereich mag das sein, ja. Wir haben auf Basis unserer Erfahrungsdaten allerdings gesehen, dass wir einen nur sehr geringen Kannibalisierungseffekt im Konzernverbund haben. Wir werden uns weiter von Volvo absetzen. Während zu Beginn die Designsprache im Konzernverbund noch ähnlich war und ersichtlich wurde, dass die Marken verwandt sind, wird man künftig immer mehr sehen, wie sie sich voneinander abgrenzen und unterscheiden. Volvo ist in der Designsprache mehr familiär, inklusiv und im Vertrieb auf hohe Stückzahlen ausgerichtet. Wohingegen wir bei Polestar deutlich progressiver sind, mehr auf Performance setzen und mit Blick auf die Stückzahl viel exklusiver sind.
VDE: Wie nutzen Sie Synergien mit dem Volvo-Konzern zum Beispiel in der Fahrzeug-Entwicklung oder ist Polestar völlig frei?
Alexander Lutz: Auf jeden Fall nutzen wir die Synergien. Das ist einer der großen Vorteile eines Konzernverbundes. Und es ist ja nicht nur Volvo, sondern auch Geely. Geelys Werke, die vorhandenen Fahrzeug-Plattformen sowie die hohe Qualität, die bereits über Millionen Fahrzeuge erprobt wurde – davon profitieren wir auch. Die Plattform von Polestar 2 (CMA – Compact Modular Architecture) wurde von Renault, Nissan, Mitsubishi erworben, da sie beim Aufbau so gut funktioniert. Diese Synergien hätten wir nicht ohne Geely und Volvo.
VDE: Ich sehe bei Polestar mehrere Herausforderungen: Die unterschiedlichen Mentalitäten eines schwedischen sowie eines chinesischen Unternehmens. Hinzukommt, dass der Absatzmarkt Deutschland auch kein einfacher ist. Wie gehen Sie mit all diesen Herausforderungen um und wie schaffen Sie es, dass am Ende ein sehr gutes Produkt dabei herauskommt?
Alexander Lutz: Wir haben den großen Vorteil, dass die Autos, die wir aktuell bauen und auch die, die wir in der Vergangenheit gebaut haben, bei Marketing und Verkauf nicht auf verschiedene Kundenstrukturen abzielten, wie man das bisher aus der traditionellen Automobilindustrie kannte. Das heißt, in der Fahrzeugproduktion standen die Ziele der Firma im Vordergrund. Natürlich orientieren wir uns dabei auch am Kundenfeedback, um uns stetig zu verbessern. Es geht uns aber insbesondere darum, dass die Marke Polestar für etwas steht, dass es so noch nicht gibt. Die Nachhaltigkeitsziele der Firma sind Teil unserer Entwicklung.
Natürlich gibt es, wie von Ihnen angesprochen, auch Mentalitätsunterschiede zwischen der schwedischen und chinesischen Kultur. Dabei hilft uns, dass wir die Extreme ausloten können. Ich denke da zum Beispiel an die Arbeitszeit. Letztlich helfen wir beiden Kulturen im Konzernverbund, dabei die richtige Balance zu finden. Natürlich sind die Erfahrung und die Qualität bei Volvo aufgrund der Historie ausgeprägter. Aber letztlich laufen die Werte von Geely und Volvo beim Polestar 2 und später auch beim Polestar 3 zusammen. Und ohne diese unterschiedlichen Perspektiven hätten wir so gute Produkte nicht bauen können.
Der deutsche Markt nimmt eine gewisse Vorreiterrolle ein. Die deutschen Kunden schätzen beispielsweise die Liebe zum Detail. Wir sind eine Nation von Autofahrern, die höchste Qualität wollen. Solche Informationen spielen wir zurück nach Schweden. Im Hauptsitz in Göteborg fließt dieser Input dann in Verbesserungen bei der Entwicklung ein. Diese lassen sich dann auch schnell umsetzen, weil die Prozesse in einem Startup einfach dynamischer sind.
VDE: Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat Polestar global?
Alexander Lutz: Wir expandieren weiter stark. Hier am Standort Köln kommen wir sicher bis Jahresende auf knapp 100 Personen. Global sind es über 1.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Polestar.
VDE: Kommen wir zurück auf die Themen: Nachhaltigkeit, Recycling und Klimaschutz. Sie haben das "Polestar 0 Project" angesprochen, was kann ich mir darunter vorstellen? Was ist daran besonders?
Alexander Lutz: Die Einzigartigkeit und somit das Alleinstellungsmerkmal von "Polestar 0 Project" ist, dass wir bis 2030 ein klimaneutrales Auto bauen wollen, während andere Hersteller in der gleichen Zeit eine 50 Prozent Elektrifizierung ihrer Flotte anstreben. Das sind einfach gänzlich unterschiedliche Zielsetzungen. Quasi als würde man die 100 Meter in neun Sekunden laufen wollen, aber die aktuell gelaufenen Zeiten liegen um die 18 Sekunden.
VDE: Können Sie uns weitere Einblick in die Nachhaltigkeitsstrategie von Polestar geben?
Alexander Lutz: Als Managing Director Germany kann ich nur für die Bereiche sprechen, die ich kontrolliere und auch verantworte. Prinzipiell versuchen wir unsere Fahrzeuge in unserem System beziehungsweise Kreislauf zu behalten. Das Schlagwort lautet hierbei: "Circular Economy". Der Gebrauchtwagenhandel läuft über unsere Plattformen, soweit es uns möglich ist. Auch die Wertschöpfungskette soll in unserer Hand bleiben. Der wichtigste Faktor ist dabei die Batterie und hier setzen wir auf Recycling. Als agiles und schnelles Startup sind wir da im Vorteil und diesen müssen wir nutzen. Wir können die Autos, die wir jetzt auf den Markt bringen, auch kontrollieren. Dagegen haben es Hersteller, die bereits Hunderttausende von Autos auf den Straßen haben, deutlich schwerer, ihre Fahrzeuge zurückholen. Und wir arbeiten mit einem einzigartigen Netzwerk aus Partnern, wie beispielsweise ZF und SSAB zusammen, die sich wie wir auch auf das Thema Nachhaltigkeit fokussieren.
VDE: Beim Thema Batterie gibt es auch Kritiker, die Probleme wie Kinderarbeit oder Umweltverschmutzung anprangern. Polestar möchte komplett nachhaltig sein. Wie lässt sich beides vereinbaren?
Alexander Lutz: Hier sind viele Fragen sicher noch nicht vollends beantwortet. Aber gerade deshalb finde ich den von Polestar eingeschlagenen Weg so couragiert. Wir zeigen schließlich, mit unserem LCA (Life Cycle Assessment), die Methodik und wie viel CO₂-Emissionen bei der Produktion eines Polestar 2 entstehen – bis zum Ende des Lebenszyklus nach etwa 200.000 Kilometern. Wir stellen so Transparenz her. Auch über unsere Partnerschaft mit Circulor, wo wir durch Blockchain Materialien verfolgen. Wir gehen offen damit um, dass wir eben noch nicht da sind, wo wir sein wollen. Im Moment produzieren wir mit jedem neuen Polestar 2 (Ausführung Standard Range Single Motor) ca. 27 Tonnen CO₂, unter der Voraussetzung eines kompletten Erneuerbare-Energien-Mix. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu.
VDE: Jetzt ist man bei Elektrofahrzeugen bekanntermaßen auch auf die Ladeinfrastruktur angewiesen. Bei Verbrennern ist man beim Tankvorgang etwas autarker, weil der Tankvorgang nicht so komplex ist. In Deutschland hadern Kunden aufgrund der Ladeinfrastruktur beim Kauf von E-Fahrzeugen. Welche Herausforderungen sehen Sie und was wären aus Ihrer Sicht Lösungsansätze?
Alexander Lutz: Ja, die Ladeinfrastruktur muss aufholen. Wir sehen, dass die Fahrzeugzulassungen und der Ausbau der Ladeinfrastruktur ein wenig auseinandergehen. In Summe – und damit meine ich sowohl öffentliche Ladestationen wie auch Ladestationen am Eigenheim und bei der Arbeitsstätte, sieht das Gesamtbild allerdings etwas freundlicher aus. Es gibt sicher auch Negativbeispiele wie dauerbelegte Fast-Charger an der A5.
In aller Regel, 85 Prozent, jedoch wird das Fahrzeug gewöhnlich zu Hause oder bei der Arbeit geladen. Wie oft sucht man als Fahrer/-in eines F-Fahrzeugs zusätzlich noch eine öffentliche Ladestation auf – vielleicht zehn bis zwölf Mal im Jahr? In Sachen Ladeinfrastruktur ist Deutschland schon einigermaßen gut aufgestellt, das hören wir zumindest von unseren Kundinnen und Kunden. Hier ist prinzipiell auch ein Umdenken nötig, solange das Ladenetz für Elektroautos in Deutschland noch nicht so engmaschig ist. Bei längeren Strecken ist einfach Planung über Google im Vorfeld nötig. Man lädt, wenn man kann und nicht, wenn man muss.
VDE: Wie positionieren Sie sich als Hersteller bei der Ladetechnologie? Worauf setzt Polestar?
Alexander Lutz: Von den verschiedenen Ladetechnologien ist das „induktive Laden“ sicherlich interessant und relevant mit Blick in die Zukunft. Der große Vorteil im Gegensatz zu Wasserstoff, Benzin und Diesel ist, dass der Transport der Energie über Strom keine physische Verbindung zum Auto benötigt. Es ist aber natürlich ein Unterschied, ob man ein Telefon oder ein Auto induktiv lädt. Nichtsdestotrotz gibt es in den USA und Schweden schon erste Testläufe mit induktiven Ladestationen, um zu testen, wie gut es auch in der Praxis funktioniert. Erste Ergebnisse zeigen, dass Wirkungsgrade akzeptabel erscheinen und die Sicherheit ebenfalls gegeben ist. Natürlich können wir im Moment noch nicht flächendeckend induktiv laden, aber für die Zukunft möchte ich das nicht ausschließen.
Wir setzen generell auf 400 Volt Betriebsspannung, wie auch beim Polestar 2. In den Fahrzeugklassen, in denen wir uns bewegen, können wir mit 400 Volt ein gutes Ergebnis erzielen. Dass wir in der Zukunft noch eine höhere Betriebsspannung ermöglichen wollen, möchte ich aber auch nicht ausschließen. Bei der Ladegeschwindigkeit sind wir beim Polestar 2 mit 155 kW Leistung bereits jetzt besser als große Teile der Konkurrenz.
Ich glaube aber auch, dass irgendwann das automatisierte Laden kommen wird. In den nächsten drei Jahren ist es vorstellbar, dass wir unser E-Fahrzeug in einer Parkgarage abgeben und das Auto dann selbstständig zur Ladestation fährt und geladen wird – egal ob induktiv oder über einen Laderoboter. Eine Vereinfachung für den Kunden wird es also sicher geben. Das ist Fortschritt.
VDE: Welche Rolle spielen Software und Konnektivität bei Polestar oder liegt der Fokus auf Performance? Wir haben beispielsweise gesehen, dass in Göteborg derzeit rund hundert Technik-Experten gesucht werden. Können Sie uns vielleicht mehr dazu sagen, welche Job-Profile bei Ihnen aktuell gefragt sind?
Alexander Lutz: Fahrspaß, das Gefühl involviert zu sein und ein schönes Fahrgefühl, diese Emotionen sind für uns sehr wichtig. Auch in Zukunft wird das Bestand haben. Zwar wird das Auto irgendwann selbst fahren können, wobei jedoch der Fahrspaß nicht auf der Strecke bleiben darf. Genau diese Expertise haben wir dank unseres Tuning-Hintergrunds. Klar ist aber auch, dass wir in der Automobilindustrie eine Entwicklung sehen werden, wonach Emotionen weniger wichtig werden. Mit unseren Fahrzeugen, die Fahrspaß vermitteln, befinden wir uns also in einem exklusiven Club. Ein deutscher Hersteller, der das ziemlich gut macht, setzt auf Perfektion und beginnt mit dem Buchstaben P.
Unabhängig von der Konkurrenz werden wir unser Angebot weiter an die Kundinnen und Kunden bringen und dabei setzen wir auch weiterhin auf die Hardware. Gleichwohl spielt die Software eine immer größere Rolle. Bei der Fahrzeugelektronik ist vor allem die Haptik entscheidend – sprich die Bedienung des Fahrzeugs über die Software. Hardwaretechnisch sind wir bereits gut aufgestellt, in der Software können wir unsere Möglichkeiten noch weiter ausschöpfen, deswegen suchen wir hier personelle Verstärkung in Göteborg. Auch dabei setzten wir auf erstklassige Partner wie beispielsweise Google, die in unseren Fahrzeugen das Infotainment stellen. Wir konzentrieren uns darauf, ein Auto zu bauen, das als Modellfahrzeug in Kinderzimmern steht.
VDE: Betrifft das Thema Fachkräftemangel auch Polestar oder geht an Ihnen spurlos vorbei – gerade mit Blick in Richtung Konnektivität?
Alexander Lutz: Durch unsere enge Partnerschaft mit Google brauchen wir in dem Bereich weniger Fachkräfte. Ergo können wir auch selektiver bei der Personalauswahl sein. Zudem ziehen die Standorte Göteborg und Stockholm junge, smarte Entwickler an. Und wir sind eben Polestar. Als Startup haben wir einen sehr guten Ruf. Bei uns können Entwickler*innen Dinge verändern und den Fortschritt persönlich mitgestalten. Egal ob man als C++ Basis-Entwickler*in oder als Software-Chef*in anfängt. Polestar bietet ein Umfeld, in dem man sehen und anfassen kann, was man geschaffen hat. Mitarbeitende übernehmen viel Verantwortung und erschaffen Fortschritt. Und ganz ehrlich: Das sehe ich bei der Konkurrenz so nicht.
VDE: Da Sie gerade von Konkurrenz sprechen. Wer sind denn die Hauptkonkurrenten von Polestar?
Alexander Lutz: Global betrachtet sind es Tesla und Porsche. Mit Blick auf den deutschen Markt sehen wir, dass auch viele Kunden der deutschen Premiumhersteller (BMW, Audi und Mercedes) sich für Polestar-Fahrzeuge interessieren und diese auch kaufen. Mit Tesla haben wir Schnittmengen durch den Fokus auf Elektrofahrzeuge und den Direktvertrieb. Und Porsche ist wie wir eine emotionale Performance-Marke.
VDE: Vor Corona gab es etliche E-Mobilitäts-Startups, die mit hohem Tempo losgelegt haben und ebenso schnell wieder von der Bildfläche verschwunden sind. Was machen Sie anders, damit Polestar nicht ein ähnliches Schicksal erleidet?
Alexander Lutz: Wir sehen im Moment ein unglaublich dynamisches Marktumfeld. Unser Alleinstellungsmerkmal ist, dass wir Stärken aus dem Konzernverbund ziehen. Ein gutes Beispiel hierfür sind z.B. unsere 200 Service-Händler in Deutschland. Wir haben Händler, die bereits über 40 Jahre für Volvo aktiv sind. Welches Startup kann schon ein solches Premium Service-Netzwerk vorweisen? Und Geely lässt uns den Freiraum, Dinge auszuprobieren und zu testen. So müssen wir uns beispielsweise auch nicht an Volvos 180 km/h Tempolimit halten. Das alles zusammen in Verbindung mit der nötigen Finanzierung im Hintergrund unterscheidet uns doch sehr von vielen anderen E-Mobilität-Startups.
Ich kenne niemanden, der nicht unterschätzt hat, was es kostet, ein Fahrzeug auf die Straße zu bringen. Es ist schwierig und kapitalintensiv. Wir haben dank Volvo und Geely extreme Vorteile und profitieren von deren Erfahrung. Selbst wenn man ein "Direct-to-Customer" Geschäftsmodell fährt, ist und bleibt es trotzdem unheimlich schwierig. Es ist eben nicht nur ein Klick auf einer Webseite. Ein Auto ist ein emotionales Produkt und vermutlich das zweitgrößte Investment im Leben. Es braucht viele Ressourcen, Zeit und auch Geld. Einige Startups unterschätzen diese enormen Aufwände einfach.
VDE: Spielt das Thema Wasserstoff bzw. Brennstoffzelle bei Ihnen eine Rolle oder dreht sich alles um die Batterie?
Alexander Lutz: Für uns ist Elektromobilität der Weg, den wir konsequent verfolgen. Die Hersteller, die sich weiterhin auf Wasserstoff konzentrieren, haben zusammengenommen weltweit nicht einmal hunderttausend Autos verkauft. Zum Vergleich: Wir als Startup-Hersteller in der Elektromobilität haben letztes Jahr 29.000 Autos verkauft. Wir sind uns sicher, dass das die Zukunft ist. Die Zeit wird auch zeigen, dass Elektromobilität der richtige Weg ist.
VDE: Wo steht die Elektromobilität in Deutschland im Jahr 2030?
Alexander Lutz: Ausgehend von 48 Millionen Autos auf deutschen Straßen schätze ich, dass wir die Zahl von zehn Millionen reinen Batterie-Elektrofahrzeugen (BEV) in Deutschland erreichen können. Autowerte wie PS oder Beschleunigung werden nicht mehr so wichtig sein. Es wird vielmehr um Design und Konnektivität gehen und wie gut mein Fahrzeug in mein Leben passt. 2030 wird die große Masse Elektroauto fahren, weil es der einfachste Weg sein wird, um von A nach B zu gelangen. Der Verbrenner wird in Deutschland sicher weiterbestehen, aber eher in sehr exklusiven Gruppen – wie zum Beispiel Motorsport.
2030 wird eine leise, schöne Elektromobilitäts-Welt, in der über das Thema Laden oder Batteriekapazität nicht mehr gesprochen wird.