Flächenabdeckung
Ein flächendeckendes Angebot von 5G-Technologien sehen die Experten eher nachrangig. Mit den vorhandenen 4G-Technologien könnten Anwendungen, wie vernetztes Fahren oder Smart Farming, bereits sehr gut unterstützt werden. Da autonome Fahrzeuge auch ohne Kommunikationstechnik in der Lage sein müssen, sich sicher durch den Straßenverkehr zu bewegen, ist auch in diesem Bereich ein flächendeckendes 5G-Angebot eher zweitrangig.
Für Anwendungen im industriellen Bereich ist die lokale Abdeckung mit 5G entscheidend. Die entsprechenden Industrieanlagen müssen mit 5G ausgestattet sein. Flächenabdeckung spielt hier eine untergeordnete Rolle. Hinzu kommt, dass sich mit den Frequenzen 3,4 GHz bis 3,7 GHz – also den Frequenzen, die Gegenstand der aktuellen Auktion sind – eine Flächendeckung nicht wirtschaftlich umsetzen lässt. Für eine deutschlandweite Abdeckung müssten bei diesen Frequenzen sehr viele Basisstationen aufgebaut werden, was zu hohen Kosten führen würde.
Mit Frequenzbändern von 700 MHz und 900 MHz wäre dies zwar möglich. Doch diese Mikro-Frequenzbänder unterstützen nicht die Parameter, die für 5G notwendig sind.
„Wir brauchen eine flächendeckende Mobilfunkversorgung. Aber aus Gründen der Kosteneffizienz sollten wir immer überlegen: Brauchen wir dafür 5G oder ist das billigere und damit auch schneller aufbaubare 4G nicht eigentlich genauso gut für Anwendungen, in denen der Endteilnehmer den Unterschied nicht merkt“, Prof. Hans Dieter Schotten.
„Im Smart Farming kann man mit einer guten LTE-Abdeckung schon eine ganze Menge machen. Dort gibt es zwar auch Anwendungen, bei denen LTE an seine Grenzen kommt. Zum Beispiel Smart Sensing – also Sensoren zur Erfassung von Umweltparametern, die mit der Aussaat verstreut werden. Aber das ist zunächst eher nachrangig zu betrachten“, Sigurd Schuster.
„Eine große Herausforderung beim Rollout von 5G liegt in der Bereitstellung der Infrastruktur. Selbst wenn man kurzfristig noch kein flächendeckendes 5G-Netz anstrebt, ist eine Netzverdichtung unumgänglich. Das gilt für ländliche Regionen und Verkehrswege, aber auch für heute bereits gut versorgte urbane Gebiete – Stichworte: Inhouse-Versorgung und Kapazitätssteigerung. Ohne geeignete Mobilfunkstandorte an den richtigen Stellen lässt sich 5G nicht umsetzen“, Bruno Jacobfeuerborn.
Campus-Lösungen
Sogenannte Campus-Lösungen bieten Industrieunternehmen die Möglichkeit, mit einem nach außen hin abgeschotteten 5G-Netz zu arbeiten. So können Firmen auf ihrem Gelände von 5G-Technologien profitieren, ohne das Risiko einzugehen, dass sensible Daten nach außen gelangen können. Die Experten gehen davon aus, dass sich künftig verschiedene Betreibermodelle für diese Campus-Lösungen etablieren werden. Mittelgroße bis große Unternehmen, die über die entsprechenden finanziellen und personellen Ressourcen verfügen, werden sich ein eigenes Campus-Netz aufbauen.
Andere – vorwiegend kleinere – Firmen werden dafür einen Dienstleister in Anspruch nehmen, der eine bestimmte Abdeckung und Qualität eines solchen privaten Netzes garantiert. Diese können zum einen in physikalischer Form umgesetzt werden – also als eigene Infrastruktur, die der Dienstleister für seinen Kunden aufbaut. Zum anderen werden gerade sehr kleine Betriebe aber auch virtuelle private Netze nutzen können. Diese laufen auf der Infrastruktur des Dienstleisters, werden aber virtuell abgetrennt und für die Bedürfnisse des Anwenders konfiguriert.
„Viele kleinere Produktionsbetriebe, die keine eigene IT-Abteilung haben, werden sicherlich froh sein, wenn ihnen ein Netzwerkbetreiber eine maßgeschneiderte Lösung anbietet und diese managt“, Prof. Hans Dieter Schotten.
„Vor allem große Unternehmen werden wohl ihre eigene Frequenz besitzen wollen, um die 5G-Kommunikation optimal gestalten zu können. Eine Fabrik ist ja nichts Statisches, sondern wird ständig verändert“, Sigurd Schuster.
„In der Produktion gibt es sensible Daten. Und diese möchte man nicht über eine öffentliche Infrastruktur teilen, bei der nicht bekannt ist, welches Equipment eingesetzt wird oder welche Algorithmen angewandt werden. Daher sind Campus-Netzwerke ein zentraler Aspekt. Wenn es nicht gelingt, diese aufzubauen, sehe ich das Risiko, dass das ganze Thema 5G in der Industrie floppt“, Dr. Andreas Müller.